Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

202 Sechstes Buch. Drittes Capitel. 
amtlichen Eröffnung vom 9. Juli, man fordere „eine proportionirte 
Convenienz und ein Dedommagement“ hierüber müsse eine neue Ab- 
kunft in aller Form zwischen den Höfen aufgerichtet werden, wenn 
man es nicht vorziehe, den löwenwoldischen Vertrag noch zur Stunde 
zu ratificiren. 
Es ist hierüber noch eine Zeit lang unterhandelt worden. 
Seckendorf sagte: wenn die jülich-bergische Sache in vollkommene 
Richtigkeit gebracht sei, so werde sein Hof kein Bedenken tragen, Cur- 
land einem preußischen Prinzen zu garantiren: die preußischen Minister 
verweigerten auf eine so fernliegende Bedingung einzugehen. 
Seckendorf blieb dabei, die kaiserlichen Höfe würden gewiß mit 
Sachsen nicht abschließen, wenn dies nicht vorher dem König von 
Preußen in dessen „so moderaten und billig-mäßigen Postulatis“ Ge- 
nugthuung gegeben. Allein er sagte damit mehr als er wußte. In 
diesem Augenblick war die Sache in Wien schon anders entschieden. 
In Gegenwart des Kaisers wurden einige Conferenzen über die Frage 
gehalten, ob man sich auch ohne Theilnahme von Preußen mit 
Sachsen vereinbaren solle oder nicht. Am 16. Juli entschloß man 
sich endlich, da Preußen so viele Schwierigkeiten mache, die Aus- 
schließung des Stanislaus auszusprechen, den Tractat mit Sachsen 
allein zu Ende zu bringen. Er ward an demselben Tage unter- 
zeichnet. 
Darin ist allerdings noch die Erwartung ausgesprochen, daß 
Preußen sich dem Wahlgeschäfte anschließen, der Kurfürst von Sachsen 
auf dessen billige Wünsche Rücksicht nehmen werde; aber ein gewal- 
tiger Unterschied ist es doch, eine Abkunft verschieben, bis die Be- 
dingung, an die man sie knüpfen will, angenommen worden, und sie 
unterzeichnen, ehe dies geschehen ist. Es ließ sich leicht voraussehen, 
daß der sächsische Hof dem König von Preußen nichts bewilligen 
würde, wenn er sich nicht genöthigt fühle; dennoch schloß man in 
Wien den Vertrag ab; der russische Hof trat demselben bei. 
Wir wollen den Staatsmännern, die damals die Politik der 
beiden Mächte leiteten, kein Verbrechen aus ihrem Verfahren machen. 
Der Tractat, über dessen Nichtratification sich Preußen beschwerte, 
war eben darum, weil eine solche nicht erfolgt war, weder für die 
eine noch für die andere bindend. Wenn Preußen sich beklagte, daß 
man den Abschluß mit Sachsen nicht länger verschoben habe, so hat 
doch auch die Antwort der Höfe etwas für sich: die Weigerung des 
Königs von Preußen, die Exelusive gegen Stanislaus Leszcynski aus- 
zusprechen, habe ein längeres Warten unmöglich grmacht; man hätte
	        
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