Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

210 Sechstes Buch. Viertes Capitel. 
gelegenheiten verletzt; darum hätte er aber nimmermehr den Franzosen 
am Rheine den Sieg gegönnt; daß sie Lothringen erobern sollten, 
lief gegen seine Politik. Ihm seinerseits war es ganz recht, wenn 
dies Land einmal mit Oesterreich verbunden wurde: wofern nur da- 
gegen auch der preußische Anspruch auf Berg zur Ausführung ge- 
langte. 
Obwohl mißvergnügt, näherte er sich doch, als der Krieg aus- 
brach, von freien Stücken dem Wiener Hofe. Er bot dem Kaiser an, 
mit aller seiner Macht an demselben Theil zu nehmen, noch im No- 
vember 1733 mit dreißig= bis vierzigtausend Mann am Niederrhein 
zu erscheinen, ssich entweder mit den Völkern des Kaisers und des 
Reichs zu vereinigen, oder auch allein nach jeder Seite hinzuwenden, 
wo eine Gefahr drohe. Dagegen forderte er nichts, als was ihm 
ohnehin zugesagt war, und allem menschlichen Ansehen nach zufallen 
mußte, das Herzogthum Berg, nur zugleich mit Düsseldorf und unter 
der Bedingung, sich dasselbe durch vorläufige Besitzunahme ohne Verzug 
zu sichern. Ich kann nicht finden, daß er irgend eine andere Absicht 
gehegt hätte. 
An dem Wiener Hofe konnte man unmöglich den Vortbeil ver- 
kennen, den eine Hülfsmacht, wie die dargebotene, hätte leisten kön- 
nen; aber man würdigte sie vielleicht nicht nach Gebühr; und vor 
allem, man fühlte eine unbezwingliche Scheu, diese nunmehr so ge- 
waltig fortwährend anwachsende Kriegsmacht, welche nicht mehr in 
einer untergeordneten Rolle festzuhalten war, neben sich erscheinen zu 
sehen. Der König bekam aus Wien eine Antwort, wie kurz vorher 
aus Dresden, in allen Formen des freundlichsten Verständnisses, aber 
ausweichend und ablehnend 1). Es hieß darin, der Kaiser werde zu- 
frieden sein, wenn Preußen die im Allianztractate festgesetzte Hülfe 
von 10,000 Mann ins Feld stelle; wogegen er nochmals heilig ver- 
sichere, zur Herbeibringung von Berg, sobald es erledigt werde, alles 
1) „Weil aber“, schreibt Seckendorf 1. Sept., „E. K. M. Dero böllige 
Macht nicht eher als bis Anfang Novembris können marschiren lassen, so sieht 
man hingegen die Noth, worin dermalen der Koaiser steckt, vor so groß und 
pressant an, daß man gezwungen ist, E. K. M. nochmaln umb die nach dem 
Allianztractat versprochenen 10,000 M. Hülfsvölker anzusuchen.“ Der König 
antwortet am 3. Sept.: daß sein Erbieten mit 41 Bat. und 97 Esc. bei 
erfolgendem Friedensbruch am Rhein zu erscheinen, anders angesehen werden 
wolle als er gemeint, thue ihm leid; würden seine Truppen den Winter über 
am Niederrhein stehen, so würden die französischen Concepte sehr verrückt 
werden. '
	        
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