210 Sechstes Buch. Viertes Capitel.
gelegenheiten verletzt; darum hätte er aber nimmermehr den Franzosen
am Rheine den Sieg gegönnt; daß sie Lothringen erobern sollten,
lief gegen seine Politik. Ihm seinerseits war es ganz recht, wenn
dies Land einmal mit Oesterreich verbunden wurde: wofern nur da-
gegen auch der preußische Anspruch auf Berg zur Ausführung ge-
langte.
Obwohl mißvergnügt, näherte er sich doch, als der Krieg aus-
brach, von freien Stücken dem Wiener Hofe. Er bot dem Kaiser an,
mit aller seiner Macht an demselben Theil zu nehmen, noch im No-
vember 1733 mit dreißig= bis vierzigtausend Mann am Niederrhein
zu erscheinen, ssich entweder mit den Völkern des Kaisers und des
Reichs zu vereinigen, oder auch allein nach jeder Seite hinzuwenden,
wo eine Gefahr drohe. Dagegen forderte er nichts, als was ihm
ohnehin zugesagt war, und allem menschlichen Ansehen nach zufallen
mußte, das Herzogthum Berg, nur zugleich mit Düsseldorf und unter
der Bedingung, sich dasselbe durch vorläufige Besitzunahme ohne Verzug
zu sichern. Ich kann nicht finden, daß er irgend eine andere Absicht
gehegt hätte.
An dem Wiener Hofe konnte man unmöglich den Vortbeil ver-
kennen, den eine Hülfsmacht, wie die dargebotene, hätte leisten kön-
nen; aber man würdigte sie vielleicht nicht nach Gebühr; und vor
allem, man fühlte eine unbezwingliche Scheu, diese nunmehr so ge-
waltig fortwährend anwachsende Kriegsmacht, welche nicht mehr in
einer untergeordneten Rolle festzuhalten war, neben sich erscheinen zu
sehen. Der König bekam aus Wien eine Antwort, wie kurz vorher
aus Dresden, in allen Formen des freundlichsten Verständnisses, aber
ausweichend und ablehnend 1). Es hieß darin, der Kaiser werde zu-
frieden sein, wenn Preußen die im Allianztractate festgesetzte Hülfe
von 10,000 Mann ins Feld stelle; wogegen er nochmals heilig ver-
sichere, zur Herbeibringung von Berg, sobald es erledigt werde, alles
1) „Weil aber“, schreibt Seckendorf 1. Sept., „E. K. M. Dero böllige
Macht nicht eher als bis Anfang Novembris können marschiren lassen, so sieht
man hingegen die Noth, worin dermalen der Koaiser steckt, vor so groß und
pressant an, daß man gezwungen ist, E. K. M. nochmaln umb die nach dem
Allianztractat versprochenen 10,000 M. Hülfsvölker anzusuchen.“ Der König
antwortet am 3. Sept.: daß sein Erbieten mit 41 Bat. und 97 Esc. bei
erfolgendem Friedensbruch am Rhein zu erscheinen, anders angesehen werden
wolle als er gemeint, thue ihm leid; würden seine Truppen den Winter über
am Niederrhein stehen, so würden die französischen Concepte sehr verrückt
werden. '