Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Polnisch-französische Verwickelung 1733—35. 211 
Mögliche beizutragen. Der König war erstaunt und verwundert. 
Siehe da, sagt er in einem seiner Briefe, wie gut berathen Se. Ks. 
Majestät ist; es geht ihm in der französischen Sache wie in der pol- 
nischen: — mögen nun die Franzosen den Meister spielen, ich habe 
mich nicht hineinzumischen, aber so mag denn auch der Kaiser sich 
einen andern Verbündeten suchen, um Alles für ihn einzusetzen, wie 
ich gethan haben würde. 
Es war ein peinvoller Augenblick für König Friedrich Wilhelm, 
in welchem er fast selber irre wurde in dem Kerne seiner politischen 
Gedanken. Er hatte Alles gethan, um ein starkes Heer aufzustellen, 
von dem er sich Ansehen und Einfluß in Europa versprach. Jetzt, 
bei der ersten Gelegenheit, wo er die Dienste desselben einem Ver- 
bündeten anbot, der ihrer dringend bedurfte, nur unter der Bedin- 
gung der vollen Ausführung der durch einen früheren Tractat fest- 
gesetzten Zusagen, ward er zurückgewiesen. Er hat wohl einmal gesagt, 
es wäre besser, die Armee gar nicht zu haben; wollte er sich begnügen, 
zehntausend Mann zu halten, so würde er keiner Contribution be- 
dürfen, sein Land würde dann noch in viel bessere Aufnahme kommen, 
und eins der reichsten in der Welt werden. Fast schien es ihm, die 
Macht bedeute doch nicht so viel, als er geglaubt hatte. 
Wir dürfen sagen: er war nur noch nicht mächtig genug! Sein 
Kriegsheer erweckte Eifersucht, aber erzwang ihm keine unbedingte 
Rücksicht. Man wußte sehr wohl, daß seine Gedanken von dem reichs- 
ständischen Gesichtskreis, wiewohl er sich hie und da von demselben los- 
zureißen suchte, wesentlich umfangen wurden. Obgleich zurückgestoßen 
von Oesterreich und Rußland, und noch immer nicht ohne den Stachel 
der alten Beleidigung von England, war er doch nicht in der Stim- 
mung und Sinnesweise, um, ohne die äußerste Noth, eine Wendung 
nach der französischen Seite hin zu nehmen. , 
Er war beleidigt und hatte Waffen; aber man brauchte ihn 
nicht zu fürchten. 
Der kaiserliche Hof blieb dabei, daß man den König von Preußen 
nicht als einen Verbündeten, Gleichstehenden behandeln müsse, sondern 
als einen Reichsstand. 
Das war überhaupt für die Macht der deutschen Nation das 
Verderblichste in dem alte Reichssystem, daß diese nur aus der selb- 
ständigen Kraft der größeren Gebiete hervorgehen konnte; daß aber, 
sobald eine solche sich erhob, in dem Reichsoberhaupte darüber eine 
Eifersucht entstand und entstehen mußte, die ihm früherhin Unter- 
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