Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

212 Sechstes Buch. Biertes Capitel. 
drückung, jetzt, wo daran nicht zu denken war, ein Beiseitehalten der- 
selben wünschenswerth erscheinen ließ, selbst in so dringenden Fällen 
wie der damalige. 
Bei alledem würde der Kaiser seinen reichsoberhauptlichen Stand- 
punkt nicht so schroff hervorgekehrt haben, wenn er nicht anderer Ver- 
bündeten sicher zu sein geglaubt hätte. Er rechnete mit Bestimmtheit 
auf den Beistand der Seemächte; es schien ihm unmöglich, daß diese 
das Gleichgewicht von Europa, für das sie so oft das Schwert ge- 
zogen, nicht auch in der augenscheinlichen Gefahr, in der es sich jetzt 
befand, vertheidigen sollten. 
Was England anbetrifft, so wäre König Georg II für seine 
Person sehr geneigt gewesen, das Verhältniß der alten Allianz wieder- 
herzustellen. Sein Gesandter hat in einem Augenblick, wo Oesterreich 
noch zweifelte und schwankte, eine Erklärung darüber gegeben, welche 
Alles hoffen ließ. Nation, Parlament, und besonders die Kaufmann- 
schaft des Reiches aber waren nicht dieser Meinung. Sie hatten nicht 
vergessen, in welchen Gegensatz mit ihnen Carl VI durch seine mer- 
cantilen Bestrebungen vor Kurzem getreten war. Die Dinge nach 
ihrem Erfolge kurz und gut beurtheilend, hatten sie gefunden, daß 
es dem englischen Handel keinen Vortheil bringe, wenn Neapel und 
Sicilien von Wien aus regiert werde!#). 
Dazu kam, daß der leitende Minister Robert Walpole, der ein 
durchaus friedliches System befolgte, und immer in guten Verhält- 
nissen mit Frankreich stand, nicht geneigt war sich in die Verlegen- 
heiten zu stürzen, welche ihm seine Feinde wünschten. Er erklärte, 
er könne nichts ohne Holland thun. 
Von Holland aber lag am Tage, daß es nichts thun würde. 
Man sieht da recht, wie sehr es Fleury zu Statten kam, daß er 
seinen Angriff auf den durch die Friedensschlüsse anerkannten Bestand 
der kaiserlichen Lande durch einen anderweiten Kriegsanlaß begrün- 
dete. Die Republik Holland hat den Kaiser, noch ehe die Sachen zu 
ihrer Entscheidung gelangten, gewarnt, sich in die polnischen Ange- 
legenheiten zu mischen, selbst wenn er das Recht haben sollte, dies 
zu thun; in ihren Verträgen mit ihm sei kein Artikel zu finden, ihm 
1) Man sagte dem preußischen Residenten Bork 1734, der englischen 
Nation gelte es gleich, wer Herzog in Mailand sei, vor die englische Hand- 
lung aber sei es viel besser, daß Neapolis und Sicilien wieder an Spanien 
komme, weil der kaiserliche Hof den Engländern das Commercium in diesen 
Landen verdorben habe.
	        
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