16 Fünftes Buch. Erstes Capitel.
man sich zwar keineswegs verständigt, aber doch Entwürfe gewechselt
hat, die zu einem Frieden und vielleicht selbst zu einer Gemein=
schaft der Waffen führen konnten. Geoertz hegte die Absicht, die
Kriegskräfte des Königs und des Czaren zu einer Unternehmung
gegen England und Hannover zu vereinigen. Die Sache bot in sich
selbst fast unübersteigliche Schwierigkeiten dar: denn es ließ sich nicht
erwarten, daß Carl XII auf die von den Russen eroberten Provinzen
Verzicht leisten, oder daß der Czar dieselben jemals wieder fahren
lassen würde. Goertz trug sich dennoch mit diesen Gedanken auf
das ernstlichste; er hoffte die Kriegölust seines Fürsten in diese
Bahnen zu lenken. Mochte es sich aber mit der Ausführbarkeit dieser
Entwürfe verhalten, wie es wolle: so konnten schon die Verhand-
lungen nicht verfehlen, ein allgemeines Aufsehen zu erregen. Die
drei verbündeten großen Mächte, England, Frankreich und Oester-
reich, sahen sich sowohl von Spanien, als von Norden her bedroht.
Und da nun Jedermann annahm, Friedrich Wilhelm I sei mit dem
Czaren einverstanden, noch bei weitem mehr, als er es war; so wen-
dete sich die Animosität besonders der deutschen Höfe gegen Preußen.
Es ist damals gewesen, daß die drei Höfse von Hannover, Dresden
und Wien sich zu einer Allianz verständigten, die für Preußen sehr
gefährlich werden konnte. Aufsgeschreckt durch das Gerücht einer Tripel-
allianz zwischen Rußland, Schweden und Preußen, welche die Wieder-
berstellung des alten Schützlings Carl XII, Stanislaus Leszczynski's,
zum Zweck habe, setzte Augustll, der alsdann vom polnischen Throne
entfernt worden wäre, Alles ein, um an dem kaiserlichen sowohl, wie
an dem englisch-hannoverschen Hofe nachhaltige Unterstützung zu finden.
Auch hiefür war die mecklenburgische Angelegenheit von Wichtigkeit.
Die Gewaltsamkeiten, welche sich Carl Leopold immer aufs neue
gegen seinen Adel erlaubte, hatten zu Beschlüssen des niedersächsischen
Kreises und des Neichshofraths gegen ihn geführt, die nun mit Waffen=
gewalt exequirt werden sollten. Der Kaiser autorisirte dieses Vorhaben
nicht allein, er schien an der Execution Theil nehmen zu wollen; ein
kaiserliches Heer sollte sich, durch Schlesien kommend, mit den Han-
noveranern verbinden. Würde nun Friedrich Wilhelm I, im Einver-
ständniß mit Rußland, dem entgegengetreten sein: so würde ihn, —
dazu waren die Vorbedingungen bereits festgesetzt, — die schwerste
Ahndung betroffen haben. An diesem Punkte trafen die allgemeinen
europäischen Interessen mit den particularen, besonders des nörd-
lichen Deutschland, zusammen. König Friedrich Wilhelm wurde un-
mittelbar davon berührt. Denn wie bätte Brandenburg-Preußen die