Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

220 Sechstes Buch. Viertes Capitel. 
Bald darauf hörte man, General Münnich, mit dem man schon 
vor Danzig in einen widerwärtigen Briefwechsel verwickelt worden 
war, habe sich vernehmen lassen, wenn der König nicht in Güte zu 
bewegen sei, Stanislaus und dessen Umgebung aus Königsberg weg- 
zuschaffen, so sei das russische Heer nicht zu entfernt, um nicht dort 
im Lande ihm eine Visite zu geben, und Stanislaus mit Gewalt 
wegzuführen. Der König von Preußen nahm diese Drohung sehr 
ernsthaft. Er ließ den Gesandten der drei Höfe, Lichtenstein von 
Wien, Brackel von Petersburg, und Ponikau von Dre#sden entbieten: 
sollte ein Gedanke dieser Art, was er nicht glaube, gehegt werden, 
so würde er nicht allein seine am Rhein stehenden Truppen auf der 
Stelle zurückziehen, sondern sich auch wegen des Schadens, den er in 
Preußen erleiden dürfte, an Sachsen halten. Er ruhte nicht, bis 
Münnich erklärte, er habe niemals Reden dieser Art geführt 1); denn 
wohl sei ihm bewußt, welche Rücksicht er dem König von Preußen 
verschulde. 
Dem König war wohl angemuthet worden, den französischen 
Gesandten aus Berlin zu entfernen, nachdem das deutsche Reich den 
Franzosen den Krieg erklärt habe. Er antwortete, er sei nicht allein 
ein Reichsfürst, sondern auch ein souveräner König, dem es zustehe, 
fremde Gesandte an seinem Hoflager zu sehen, möge sich dies nun 
in Königsberg in Preußen oder in der Mark Brandenburg befinden 2). 
Aber darum hatte nun dieser Gesandte — der Marquis de la Che- 
tardie — nicht etwa gute Tage in Berlin: oft suchte er vergebens 
um Audienz nach; zuweilen wurden unangenehme Erklärungen ge- 
wechselt; auch ihm ward nichts nachgesehen, was dem Unabhängigkeits- 
gefühl des Königs entgegenlief. Eines Tages, noch im Juni 1734, 
trat Chetardie denselben auf der Parade von Potsdam an, um ihm 
zu sagen, die französische Regierung nehme einigen Anstoß daran, 
daß sich der Kronprinz zur Armee begebe: überhaupt müsse sie eine 
bündige Versicherung erhalten, daß der König nicht mehr als die 
1) Münnich 7/18. Mai 1735. „Versichere auf meine honeur, daß ich 
weder gegen einen polnischen Herrn oder auch sonsien gegen Jemand, ob- 
besagten Discurs geführt, oder etwas, das dem gleich sein möchte mich ver- 
nehmen lassen.“ Der König sagte: Affront leide er nicht. 
2) Friedrich Wilhelm beklagte sich im August 1735, daß man den Auf- 
enthalt eines französischen Ministers zu Hannover anders ansehe, als zu Berlin; 
er werde niemals geschehen lassen, daß man ihn vor einen vom koiserlichen 
Hofe dependirenden subalternen König ausgebe. Sinzendorf, den Brief in der 
Hand, sagte nur: ja ihr Herren zu Berlin.
	        
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