Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Veränderte politische Haltung. 225 
Uebel, das man aber eben darum ergreifen müsse. Er rieth zu der 
engsten Vereinigung mit dem Hause Bourbon. Und da, wie man 
auch in einer Conferenz zu Wien voraussetzte, diese Verbindung nicht 
anders zu erlangen sei, als durch eine Vermählung der ältesten Erz- 
herzogin mit dem ältesten Sohne der Königin von Spanien, so blieb er 
bei diesem Vorschlage stehen. Er meinte, dann würden die Erbkönig- 
reiche und = Lande, mit Einschluß der italienischen, für die Monarchie 
gerettet werden: man würde anderen Feinden Widerstand leisten 
können. Wir erwähnen der anderen Erörterungen nicht, in denen er 
allerlei Möglichkeiten abwog. Genug, dies war sein Vorschlag 1). Er 
entsprach den Eindrücken, welche die bourbonischen Feindseligkeiten 
gegen Oesterreich sein ganzes Leben hindurch auf ihn gemacht hatten; 
gegen ihre Uebermacht ohne die alten Verbündeten glaubte er den 
Bestand der Monarchie nur durch die engste Verbindung mit dem- 
selben retten zu können. 
Dabei waltete jedoch ein Irrthum ob. So enge verbündet, so 
ganz einverstanden, wie man voraussetzte, waren die Höfe von Spanien 
und Frankreich doch nicht. Selbst in Spanien waren die Castilianer, 
welche so oft von der Herstellung der alten spanischen Monarchie 
geträumt hatten, nicht mehr so eifrig für die Wiedererwerbung der 
italienischen Landschaften, als im Anfang der Regierung Philipps V 
und selbst unter der Verwaltung Alberoni's. Sie mißbilligten, daß 
die Streitkräfte des Reiches für die nachgeborenen Söhne der Kö- 
nigin verwandt werden sollten. Diese Wendung der Dinge hat für 
Europa eine große Bedeutung. Denn damit hängt die Gründung 
eines dritten Hauses Bourbon in Italien zusammen, welche für Italien 
wichtiger gewesen ist, als man wohl annimmt. Bisher unter der 
Herrschaft entweder Spaniens oder, wie damals die Dinge standen, 
Oesterreichs, der Höfe von Madrid oder von Wien konnte sich Italien 
niemals entwickeln. Es war ein Vortheil für das Land; und, wie 
wir sahen, von Anfang an beabsichtigt, durch eine von Oester- 
reich unabhängige bourbonische Regierung ihm einen Moment der 
1) Arneth theilt einen ausführlichen Auszug aus dem Schreiben Eugens 
vom 6. Ang. 1735 mit: bei Bartenstein wird noch ein kürzerer vom 10. Aug. 
erwähnt. Nach Bartenstein war der Vorschlag: „daß nachdeme das aller- 
bedauerlichste Schicksal in denen bestände, Sich selbsten derer besessenen meh- 
rigsten Erbkönigreichen und Landen beraubet zu sehen, Er um ein sölches zu 
vermeiden, keine andere Möglichkeit sehete, als die Cron Spanien durch die 
Vermählung der ältesten Erbtochter mit der Königinn von Spanien ältesten 
Hru Sohn gänzlichen zu gewinnen“. 
v. Ranke's Werke XXVI. XXVI 15
	        
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