232 Sechstes Buch. Fünftes Capitel.
hätte erfolgen müssen; er, der König, sei nächst Gott der einzige ge-
wesen, der solches abgewendet; dagegen habe man ihm vor dem
Tode des letzten Königs von Polen allezeit versichert, dessen Erbe in
Sachsen solle nie zur Krong dieses Reiches gelangen 1); wie es denn
eine für das Haus Brandenburg verderbliche Sache sei; dennoch sei
eben dies geschehen. Beim Ausbruch des Krieges mit Frankreich habe
er wohl zweifeln dürfen, ob der Casus föderis wirklich eingetreten,
da der Kaiser Vielen als der angreifende Theil erschienen sei; aber
er habe sich darum nicht gekümmert, sondern seine 10,000 Mann
ins Feld geführt; wider seinen Willen und seine bessere Einsicht —
wie es denn auch zum Verderben ausgeschlagen — habe er sich sein
Votum zur Reichskriegsdeclaration abdringen lassen, nicht ohne seine
rheinischen Lande einer französischen Invasion auszusetzen; er habe
angeboten, sich der Krone Frankreich mit seiner gesammten Macht
entgegenzuwerfen, aber man habe ihn aus ungegründeter Eifersucht
mit Händen und Füßen zurückgestoßen. Was seien es für nichtige
Dinge, woraus man ihm jetzt einen Vorwurf mache. Man sage
wohl, der westphälische Kreis habe wegen der Excesse seiner Truppen
nur 7000 Mann statt 20,000 Mann gestellt, da doch der ganze
Kreis nur 12,000 M. zu stellen habe, wovon Viele sich mit Geld
abgefunden; oder man wolle ihm den schlechten Erfolg des letzten
Feldzugs Schuld geben, da doch auch die Russen so gut wie seine
Truppen bei der Hauptarmee geblieben seien. Und jetzt bekomme er
auch in der geringfügigsten Sache nichts als zweifelhafte und auf-
zügige Antworten. Er verlange die Achtung und Rücksicht, die ihm
gebühre, man verspotte ihn mit dem Anerbieten großgewachsener Re-
kruten; schon müsse er fürchten, daß der Kaiser auf die Absichten
Frankreichs zu Gunsten der Pfalz in der bergischen Sache eingehe.
— Wie in dem zweifelhaften menschlichen Leben einem Jeden, der
eine bestimmte Absicht verfolgt, Momente kommen, wo die Summe
seines Thuns ihm verfehlt erscheint, so geschah hier und nicht ohne
Grund dem König von Preußen. Seine Augen erfüllten sich mit
Thränen zugleich des Schmerzes über persönliche Kränkung, wo er
1) „In Polen ließen wir den Churfürsten von Sachsen schalten und
walten wie er wollte, ohngeachtet desselben Befestigung eine perniciense Sache
vor uns und unsre ganze kön. Posterität wäre: derowegen auch vor erfolgtem
Absterben des Königs von Polen Augusti der Kaiserliche Hof uns allemal fest
und beständig versichert hütte, es sollte der damalige Churprinz, jetziger Chur-
fürst von Sachsen zu der polnischen Krone nie und in Ewigkeit nicht ge-
gelangen.“ 6