Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

18 Fünftes Buch. Erstes Capttel. 
Anderen entsagte, dahin arbeitete, sie zu Stande zu bringen. Eben 
in der Zeit jener Conflicte, die Alles zu zermalmen drohten, stellte er 
die militärisch-administrative Organisation auf, welche der preußischen 
Armee und dadurch der Unabhängigkeit des neuen Thrones erst eine 
feste Begründung gab. Dabei konnte er nicht, wie sein Vorfahr 
versucht hatte, auf eine durchgreifende Veränderung des landwirth- 
schaftlichen Systems oder gar auf die Errichtung einer National- 
miliz Bedacht nehmen. Denn diese Neuerungen, die ohne Zweifel 
eine Zukunft hatten, würden zunächst nur Schwäche und Verwirrung 
herbeigeführt haben. Friedrich Wilhelm bedurfte einer unmittelbar 
zur Wirksamkeit gelangenden Organisation. Er hielt an den alt- 
bewährten Principien fest und suchte sie nur entschiedener und zweck- 
dienlicher durchzuführen. Er verfuhr dabei mit dem leidenschaftlichen 
Eifer, ohne den nur selten etwas vollbracht wird, und vor dem jede 
andere Rücksicht verschwindet. Gerade in jenen Tagen der allge- 
meinen Krisis war er mit den für sein neues System entscheidenden 
ständischen Verhandlungen, — wir werden ihrer noch gedenken —, 
beschäftigt. 6 
Auf dieser Grundlage gelang es ihm, eine Armee ins Feld zu 
stellen, wie sie in deutschen Landen noch nicht erschienen war. Zunächst 
wurde freilich die Eifersucht, welche die Nachbarn gegen ihn hatten, 
verdoppelt; in dem stammverwandten Hannover stärker, als irgendwo- 
anders: die Verbindung Brandenburgs mit Rußland und das an- 
wachsende Kriegsheer riefen in den hannoverschen Ministern jene Ent- 
würfe hervor, bei denen sogar eine Zerstückelung der brandenburgischen 
Landschaften in Aussicht genommen wurde, in Verbindung mit den 
Höfen von Dresden und von Wien !). Mannichfaltige Reibungen, 
Mißverständnisse und Agitationen traten dabei hervor; auf der einen 
Seite hingen sie mit den großen europäischen Verhältnissen zusammen, 
auf der andern hatten sie doch auch sehr persönliche Beziehungen und 
Rückwirkungen. Wenn wir nicht auf eine nähere Darlegung dieser 
Frrungen eingehen können, — denn sie würde ganz Europa zu umfassen 
haben —, so sei es uns dagegen gestattet, eines sehr particularen 
1) In Coxes Walpole findet sich ein Schreiben von Stanhope, in welchem 
Bernstorff beschuldigt wird, mit dem Kaiser und dem König von Polen Über 
ein Project zur Theilung von Preußen zu verhandeln: „he proposes part of 
the spoils of Prussia for his master;“ doch sei Alles noch Project. B9gl. 
Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. IV, Abth. 2, S. 249, und 
dessen Abhandlung: Das Stralendorfsische Gutachten (Abhandlungen der Kgl. 
Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, 1860).
	        
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