Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

240 Sechstes Buch. Fünftes Capitel. 
beiderlei Beziehung wäre es den Franzosen unendlich erwünscht ge- 
wesen, Preußen für sich zu haben. Im Januar 1740 traten sie 
mit dem Entwurfe eines gegenseitigen Vertheidigungsbündnisses auf 
15 Jahre hervor. König Friedrich Wilhelm wies dies um so weniger 
von sich, da er außer den bergischen noch andere Ansprüche, z. B. 
auf Ostfriesland hatte, für deren Durchführung er sich weder von 
England, noch auch, wie die Sachen standen, vom Kaiser Unter- 
stützung versprechen konnte, sondern nur von Frankreich. Entwürfe 
und Gegenentwürfe sind hierüber gewechselt worden, ohne daß man 
zum Abschluß gelangt wäre. Doch wurde schon manche weitere Aus- 
sicht eröffnet. Cardinal Fleury sagte: Preußen verdiene wegen der 
guten Ordnung in seinen Finanzen und der großen Anzahl trefflicher 
Truppen, die es halte, eine ausgezeichnete Rolle in Europa zu spielen, 
und Frankreich werde gern dazu beitragen. 
# Man wird nicht glauben, daß der alte eifrig patriotische König 
durch diese Verbindung befriedigt worden wäre: es mochte ihm dabeie 
angenehm sein, daß er sich nicht ganz ohne Rückhalt in der Welt 
sah; übrigens war sie ihm wie eine Nothwendigkeit des Schicksals 
auferlegt worden, in Folge eines Mißlingens aller früheren Plane; 
indem er aber darauf einging, knüpfte er Verhältnisse an, welche in 
den folgenden Zeiten eine völlige Umwandlung der Politik herbei- 
führen sollten. 
Vergegenwärtigt man sich den Wechsel der großen Verhältnisse, 
so liegt das Wesentliche darin, daß Friedrich Wilhelm die Allianz. 
mit Frankreich und mit England, der er durch alle Präcedentien 
anzugehören schien, verlassen und sich dem Kaiser beigesellt hatte. 
Hauptsächlich darum war dies geschehen, weil er den französisch-eng- 
lischen Einfluß nicht zur Herrschaft in Deutschland gelangen, nicht 
das Haus Oesterreich zu Grunde richten lassen wollte. Doch hat er 
dabei auch seine eigenen Interessen im Auge. Er wünschte die kaiser- 
liche Autorität in allen Angelegenheiten auf seiner Seite zu haben, 
hauptsächlich aber zur Durchführung des nächsten, wie es ihm schien, 
höchst gerechtfertigten Anspruches auf Berg ihrer sicher zu sein. Der 
geheime Vertrag, den er darüber schloß, war dann der Angelpunkt 
seiner ganzen Politik. Niemand könnte leugnen, daß dieselbe dem 
Hause Oesterreich höchlich zu Statten kam; und vielleicht wäre es für 
Carl VI das Beste gewesen, auf das pünktlichste an der Allianz 
mit Preußen festzuhalten und selbst jene Anerbietungen anzunehmen, 
welche ihm bei Ausbruch der französischen Irrungen von Friedrich 
Wilhelm gemacht wurden.
	        
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