250 Siebentes Buch.
und der Allianzen gelang es ihnen, noch immer getrennt, eine bis auf
einen gewissen Grad selbständige Existenz zu behaupten. Ein gemein-
schaftliches Interesse gab ihnen erst die Reformation der Kirche; die
Existenz des einen, das Emporkommen des andern beruhte auf dem
Protestantismus. Nothwendig wurden sie nun von den großen katho-
lischen Mächten an ihrer Seite bedroht, aber in demselben Augenblick
dynastisch verbunden. Die Landschaften hatten ein gemeinschaftliches
Interesse des deutschen Namens und der Religion, das sich in den
Fürsten repräsentirte. Mit einer gewissen Nothwendigkeit regte sich
in diesen das Bedürfniß eigenartiger Entwickelung den beiden höchsten
Gewalten, von denen sie abhingen, gegenüber. Doch trug dies Be-
streben nach den verschiedenen Seiten hin einen verschiedenartigen Cha-
rakter an sich. Auf der polnischen Seite mußten sie nach Herstellung
der ursprünglichen Unabhängigkeit des Landes von der Krone trachten,
auf der deutschen eher nach einer Verstärkung der Reichsgewalt, auf
welche sie selbst Einfluß auszuüben berufen waren. Wie aber dann,
wenn sich der Kaiser und der König von Polen vereinigten, um die
Landschaften ihrer Selbständigkeit zu berauben. Es kam eine Zeit, wo
sie beide verloren zu sein schienen. Wenn sie dennoch gerettet wurden,
so geschah das hauptsächlich durch das Emporkommen einer dritten
Macht, die ihnen aber dann wieder im höchsten Grade beschwerlich
fiel. Nachdem sie Polen und Oesterreich bestanden hatten, bedrängte
sie Schweden, welches mit Frankreich verbündet, die entgegengesetzten
Mächte zurückwarf, mit einer Art von Oberherrlichkeit. Es war das
Verdienst des großen Kurfürsten, daß er den in dieser Krisis zerstreuten
Landschaften ein Gefühl ihrer Einheit einhauchte und einen demselben
entsprechenden Staat begründete. Für ihn und seinen Sohn, den
ersten König, entsprang aus dem Gegensatz gegen Schweden und
Frankreich, inwiefern sie beide in Deutschland eingedrungen waren,
ein hoher Beruf für Deutschland selbst, den sie dann nach Kräften
zu erfüllen strebten. Schweden wurde wirklich ohnmächtig in Deutsch-
land, nicht jedoch Frankreich, wiewohl man es besiegte; nur konnte
es zunächst die deutsche Freiheit nicht ernstlich gefährden, wie vordem.
Aber aus der Natur und dem Gange dieses Kampfes erwuchsen wieder
anderweite Gefahren für Brandenburg-Preußen; durch die Verbindung
Englands mit Hannover, welche sich dabei vollzog, wurde gleichsam
eine neue Macht gebildet, welche mit dem wiedererstarkten Kaiser-
thum vereinigt, die Unabhängigkeit Brandenburgs bedrohte. Und zu-
gleich war im Osten und Norden Rußland emporgekommen, welches,
indem es Polen überwältigte, für Preußen ebenfalls furchtbar wurde.