Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

250 Siebentes Buch. 
und der Allianzen gelang es ihnen, noch immer getrennt, eine bis auf 
einen gewissen Grad selbständige Existenz zu behaupten. Ein gemein- 
schaftliches Interesse gab ihnen erst die Reformation der Kirche; die 
Existenz des einen, das Emporkommen des andern beruhte auf dem 
Protestantismus. Nothwendig wurden sie nun von den großen katho- 
lischen Mächten an ihrer Seite bedroht, aber in demselben Augenblick 
dynastisch verbunden. Die Landschaften hatten ein gemeinschaftliches 
Interesse des deutschen Namens und der Religion, das sich in den 
Fürsten repräsentirte. Mit einer gewissen Nothwendigkeit regte sich 
in diesen das Bedürfniß eigenartiger Entwickelung den beiden höchsten 
Gewalten, von denen sie abhingen, gegenüber. Doch trug dies Be- 
streben nach den verschiedenen Seiten hin einen verschiedenartigen Cha- 
rakter an sich. Auf der polnischen Seite mußten sie nach Herstellung 
der ursprünglichen Unabhängigkeit des Landes von der Krone trachten, 
auf der deutschen eher nach einer Verstärkung der Reichsgewalt, auf 
welche sie selbst Einfluß auszuüben berufen waren. Wie aber dann, 
wenn sich der Kaiser und der König von Polen vereinigten, um die 
Landschaften ihrer Selbständigkeit zu berauben. Es kam eine Zeit, wo 
sie beide verloren zu sein schienen. Wenn sie dennoch gerettet wurden, 
so geschah das hauptsächlich durch das Emporkommen einer dritten 
Macht, die ihnen aber dann wieder im höchsten Grade beschwerlich 
fiel. Nachdem sie Polen und Oesterreich bestanden hatten, bedrängte 
sie Schweden, welches mit Frankreich verbündet, die entgegengesetzten 
Mächte zurückwarf, mit einer Art von Oberherrlichkeit. Es war das 
Verdienst des großen Kurfürsten, daß er den in dieser Krisis zerstreuten 
Landschaften ein Gefühl ihrer Einheit einhauchte und einen demselben 
entsprechenden Staat begründete. Für ihn und seinen Sohn, den 
ersten König, entsprang aus dem Gegensatz gegen Schweden und 
Frankreich, inwiefern sie beide in Deutschland eingedrungen waren, 
ein hoher Beruf für Deutschland selbst, den sie dann nach Kräften 
zu erfüllen strebten. Schweden wurde wirklich ohnmächtig in Deutsch- 
land, nicht jedoch Frankreich, wiewohl man es besiegte; nur konnte 
es zunächst die deutsche Freiheit nicht ernstlich gefährden, wie vordem. 
Aber aus der Natur und dem Gange dieses Kampfes erwuchsen wieder 
anderweite Gefahren für Brandenburg-Preußen; durch die Verbindung 
Englands mit Hannover, welche sich dabei vollzog, wurde gleichsam 
eine neue Macht gebildet, welche mit dem wiedererstarkten Kaiser- 
thum vereinigt, die Unabhängigkeit Brandenburgs bedrohte. Und zu- 
gleich war im Osten und Norden Rußland emporgekommen, welches, 
indem es Polen überwältigte, für Preußen ebenfalls furchtbar wurde.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.