Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

260 Siebentes Buch. Erstes Capitel. 
Aus den Briefen an Suhm, welche zu den harmlosesten ge- 
hören, die von Friedrich übrig sind, kann man sehen, mit welcher 
naiven Lernbegierde er diese Hefte durchging, nicht ohne sie mit dem 
deutschen Original zu vergleichen, zumal da ihm Suhm sagte, daß 
die deutsche Sprache sich für die abstracten Erörterungen besser schicke, 
als die französische;: mit welchem Eifer er sich ihren Inhalt an- 
eignete. 
5 Der Satz des Widerspruches und die Lehre vom zureichenden 
Grunde, die in der leibnitz-wolfischen Philosophie eine so große Rolle 
spielten, leuchteten ihm vollkommen ein; er wandte sie im täglichen 
Leben an. 
Den größten Eindruck aber machte ihm die Lehre Wolfs von 
dem einfachen Dinge, das von Gott einmal geschaffen, nur durch 
seinen Willen wieder vernichtet werden könne, und daher von der 
Einfachheit und Unvergänglichkeit der menschlichen Seele. Er fand 
die Folgerungen des Philosophen treffend und tief. 
ie seine Freunde überhaupt an ihm lobten, daß er zwar seine 
Meinungen standhaft vertheidige, so lange es sich irgend thun lasse; 
wenn ihm aber die Stärke der entgegengesetzten Ansichten einleuchte, 
diese auch mit ebenso viel Entschiedenheit annehme, so that er auch 
diesmal; er gab wirklich seine negativen Meinungen auf und bildete 
sich eine Mischung von Philosophie und Religion aus, in der seine 
jugendliche Seele Beruhigung fand. 
„Ich bin jetzt überzeugt“, schreibt er im April 1736 an Man- 
teuffel, „von der Unsterblichkeit meiner Seele; ich glaube an Gott 
und an den, welcher gesandt ward, die Welt zu erleuchten und zu 
erlösen; ich werde tugendhaft sein, so viel ich kann, dem Schöpfer 
die Anbetung widmen, die seine Creatur ihm schuldig ist, und die 
Pflichten eines guten Bürgers gegen die Menschen meines Gleichen 
erfüllen, nicht als könnte lich mir den Himmel mit meinen Werken 
verdienen, sondern in der Ueberzeugung, daß Gott ein Wesen nicht 
ewig unglücklich machen kann, das ihm dankbar ist, weil er ihm sein 
Dasein gegeben“1). 
Er dankt einmal Suhm, daß er ihm zum Bewußtsein seiner 
1) 18. April. II me sufft, que je suis convaincu de l’immortalité 
de mon ame quc je croie en dieu et à cclui, qu'il u enroyé pour 
eclairer et sauver le monde, due je m'applique à me rendre vertucux 
autant que je puis D’effectuer par mes forces, qdue je pratique les actes 
Dadoration que la créature doit à son createur et les devoirs d'un bon 
citoyen envers les hommes mes égaux.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.