Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Spätere Jugendjahre Friedrichs II. 261 
Seele geholfen habe, und stellt seine Wohlthat der göttlichen nahe, 
durch die er überhaupt sei. 
Dafür hegte er ein eigenthümlich lebendiges Gefühl der Dankbar- 
keit, daß er aus dem Nichts ins Leben gerufen, seine Wimpern den 
Strahlen des Lichts eröffnet worden, in der Mitte einer schönen und 
gebildeten Welt; in einem seiner frühesten und besten Gedichte wendet- 
er sich von dem Zweifel, der sich noch mächtig regt, zu der Aussicht, 
daß die gereinigte Substanz der Seele den Grauen des Grabes über- 
dauern und ihren ewigen Wohlthäter erblicken werde. Man kann 
ein Gemüth nicht irreligiös nennen, das von einer so warmen An- 
betung für Gott den Schöpfer erfüllt ist. 
Auch moralisch zeigt Friedrich den Ernst einer auf sich selbst 
reflectirenden strebenden Jugend. Er bildete sich ein Ideal der Voll- 
kommenheit, und wenn man ihm sagte, daß er es nicht erreichen 
werde, bekannte er sich zufrieden mit dem, was sich auf dem Wege 
erlangen lasse. Seine Verehrer fanden ihn in der That milder, offener, 
edelmüthiger, weniger absprechend und schneidend als früher. Neben 
Wolf las er die alte Geschichte von Rollin, welche eben herauskam: 
er theilte das Gefühl, das in Frankreich diesem Werke so großen 
Beifall verschaffte, eine Art Befriedigung, daß hier ein wohlgesinnter 
Mann spreche, der es ehrlich mit der Welt und allem Guten meine, 
wie Montesquien sagt, daß die Tugend rede: — Friedrich säumte 
nicht dies dem Autor auszudrücken, der ihn dagegen sehr ernst und 
dringend an die wichtigsten Betrachtungen der Religion gemahnt hat. 
Friedrich hörte damals zuweilen Beausobre, den er für den größten 
Mann erklärte, der in preußischen Landen lebe; dieser ruhige und 
freimüthige Ausdruck, der in jedem Worte Bildung und Ueberzeugung 
athmete, entsprach seiner Idee von Kanzelberedsamkeit; da berührte 
ihn noch einmal der Kampf zwischen Protestantismus und Katholi- 
eismus, den diese französischen Geistlichen fortwährend führten; er 
bestärkte Beausobre darin, denn man müsse wie die Wahrheit zeigen, 
so auch die Lüge enthüllen. 
Indem er sich dergestalt dem Glauben und Denken der evan- 
gelischen Kirche, mit dem die leibnitz-wolfischen Lehren wenigstens nicht 
in Widerspruch standen, wieder zuwandte, ohne doch völlig darauf 
zurückzukehren, — wie er denn selbst darüber scherzt, daß er so wenig 
Glauben habe, — kam ihm nun aber eine andere philosophische An- 
sicht nahe, die im Gegensatz mit denselben, und von dem Positiven 
weiter abführend, sich so eben auf dem Gebiete der allgemeinen 
Literatur Bahn machte.
	        
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