Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

268 Siebentes Buch. Erstes Capitel. 
von der überlegenen Einsicht seiner Minister, der gewandten Durch- 
führung einer folgerechten Politik ab; es machte ihm vielen Eindruck, 
wenn er überlegte, daß es eben durch die beruhigende Haltung des 
Cardinals Fleury gelungen war, die Furcht vor einer französischen 
Universalmonarchie, welche früher Europa in Aufregung hielt, zu heben, 
so daß er den günstigen Augenblick benutzen konnte, seine Beute zu 
ergreifen. Indem er aber das Talent anerkannte, zog er zugleich den 
Schluß, daß eine große Macht, welche mit erheuchelter Freundlichkeit 
zu Werke gehe, den Nachbarn ungemein gefährlich sei. Diese und 
andere daran sich reihende Gedanken stellte er in einer kleinen Schrift 
zusammen ), die er an Voltaire mittheilte ). Sie ist schon ein trefflicher 
Beweis gereiften Geistes und durchdringender politischer Beobachtung; 
ebenso hatten Wassenaer und Prinz Eugen mitten in den Geschäften 
die Sache immer angesehen. 
Sei es nun aber, daß Voltaire den Vorwurf einer zweizüngigen 
Politik nicht auf Frankreich kommen lassen wollte, oder daß seinem 
an einzelnen Erscheinungen haftenden Geiste dieser Scharfsinn abging: 
er blieb dabei, Frankreich habe in einem Spiele gewonnen, wovon 
es einen Augenblick, bevor man die Karten in die Hand nahm, noch 
nicht gewußt, ob es daran Theil nehmen solle; es sei nur durch den 
Hochmuth des kaiserlichen Ministeriums dahin gebracht worden, zu 
den Waffen zu greifen. Er brachte auf seine Weise eine Menge 
älterer Anekdoten bei, wo ein zufälliges Ereigniß große Dinge ent- 
schieden habe, das Wasserglas der Königin Anna und was dem mehr 
ist. Ein zu guter Franzose war er auch, um zuzugeben, daß Loth- 
ringen immer dem deutschen Reiche angehört habe: der Prinz mußte 
ihm dies noch ausführlicher entwickeln. 
Bei alle diesen Meinungsverschiedenheiten freute sich doch Fried- 
rich seiner Verbindung mit Voltaire, der auf der Höhe seines Ruhmes 
stand und durch seine Art die Dinge anzufassen, sich auszudrücken, 
einen unwiderstehlichen Zauber auf ihn ausübte. Er bewies ihm 
das hochhaltungsvolle Vertrauen eines jungen Autors, der sich einem 
älteren anschließt. Die erste Schrift, die er im Jahre 1739 für das 
Publikum zu Stande brachte, eine Widerlegung des Fürsten Machhia- 
vells, überließ er den Händen desselben, um sie herauszugeben. 
) Considérations sur Pétat présent du corps politique de l’Europe 1738. 
Oeuv. posth. VI. Akad. Ausgabe. VIII, S. 3. Beurtheilendes Schreiben von Vol- 
taire 5. Aug. 1738, Antwort von Friedrich 11. Sept. 1738. (LIII, 689, 699; 
Akad. Ausg. der Oeuvres de Frédéric XXI, 216, 228.) 
2) Er nahm dabei die Miene an, als rühre die Schrift etwa von einem
	        
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