Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

272 Siebentes Buch. Erstes Capitel. 
worin Friedrich lebte: er beschreibt einmal selbst, wie er ganze Monate 
über die Bücher gebeugt gesessen, und dann wieder die Feder er- 
griffen habe. Was ihm nicht gestattet gewesen war, auf einer großen 
Reise das provinziell Beschränkte zu überwinden, sich mit den all- 
gemeinen europäischen Bestrebungen in Verbindung zu setzen, das 
sollten ihm nun die Studien verschaffen. Er suchte über die schwie- 
rigsten Probleme des menschlichen Denkens klar zu werden, an den 
verwickelten Verhältnissen der europäischen Staaten das Einfache und 
Wesentliche zu begreifen; er erwog alle Fragen, welche einem Re- 
genten vorkommen können. Der echte Antimachhiavell ist eine Vor- 
schule der Regierung; in den Maximen, die das Buch ausstellt, in 
denen überall Abscheu vor dem Laster und ein starkes moralisches 
Gefühl athmet, sind künftige Handlungen enthalten; das darin er- 
scheinende Ideal eines Königthums, das zu seiner Verwirklichung einen 
gleich begabten und arbeitsamen Geist erfordert, läßt eine thatenvolle 
Regierung erwarten, mehr auf Pflichterfüllung als auf Religion ge- 
gründet, den weltlichen Interessen zugewandt, entschlossen für ihre 
Rechte das Schwert zu ziehen. 
Wer die Dinge nach dem ersten Anblick beurtheilte, erwartete 
einen Hof, wo Männer von Wissenschaft und Geist eine große Rolle 
spielen würden. Manche fanden, der Prinz habe nur zu sehr den 
Ehrgeiz, für einen Gelehrten zu gelten, in allen Fächern, Historie, 
Politik, selbst Theologie wolle er seine Ueberlegenheit an den Tag 
legen. Andere schlossen aus einer gewissen Liebe zur Pracht und zum 
Wohlleben, die er auch unter beschränkten Verhältnissen kundgab, er 
werde die Gewerbe und Künste pflegen, Wohlthaten des Friedens 
über sein Volk ausgießen. Doch gab es Einige, die auch noch etwas 
Anderes in ihm erblickten: dem Vater des Vaterlandes, sagt der 
französische Resident de la Houx, wird er den Helden hinzufügen; 
der wahre Gegenstand seiner Wünsche ist der Ruhm, und zwar der 
Kriegsruhm; er brennt vor Begierde, auf den Fußtapfen seines Ahn- 
herrn, des Kurfürsten Friedrich Wilhelm einherzugehen?). 
Zuweilen ließ sich Friedrich fast wider seinen Willen Andeutungen 
in diesem Sinne entschlüpfen. Wenn er von den Kriegsereignissen 
1) Réflexions sur la cour de Prusse Cctober 1739. Différentes 
Pieces fugitives, quril a Ccrit sur ces matières prouvem assez, queelles 
lui sont plus familières qu'il ne convient peutetre à un prince de sa 
naissance. II en parle souvent ct son amour propre est flatté, qguand il 
peut faire sentir aux autres sa superioritéc — — il favorisera les arts,
	        
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