Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

274 Siebentes Buch. Erstes Capitel. 
Im Frühjahr 1740 fühlte der König, in Potsdam, wohin er ge- 
gangen, weil die dortige Luft seinem Zustande heilsamer sei, eine so 
merkliche Abnahme seiner Kräfte, daß er für nothwendig hielt, seinen 
Sohn in die Angelegenheiten der. Regierung, wie sie im Augenblicke 
lagen, einzuführen. 
Zuerst ward Boden, einer der Minister des Generaldirectoriums, 
nach Ruppin geschickt!), wo der Prinz sich eben aufhielt, um ihn 
über die inneren Geschäfte zu unterrichten: vor allem sollten die 
Etats, also der Geldhaushalt vorgenommen werden: dann wollte man 
zu dem Accisewesen schreiten. — Hierauf erhielten die beiden Cabinets- 
minister, Podewils und Thulemeier, den Auftrag, ebenfalls nach 
Ruppin zu gehen, und ihm „die Situation der auswärtigen Affairen“, 
besonders die Wendung, die sie in den letzten Zeiten genommen hatten, 
zu entwickeln. 
Indem aber verschlimmerte sich das Befinden Friedrich Wilhelms, 
so daß man das Aeußerste fürchtete; der Prinz, durch die Nachrichten 
erschreckt, die ihm ausdrücklich deshalb zugingen, eilte nach Potsdam, 
um den Vater nur noch lebend anzutreffen. Er fand ihn besser als 
er gedacht, sitzend in dem sonnigen Schloßhof auf seinem Rohrstuhl, 
und mit Anordnungen zum Anbau eines Nebenhauses beschäftigt. 
Friedrich Wilhelm, sehr befriedigt durch die herzliche Theilnahme an 
seiner Krankheit, und die guten Entschlüsse, die Friedrich in allen 
seinen Briefen an den Tag legte2), empfing ihn mit dem Ausdruck 
eines reinen väterlichen Gefühles, und nahm sich vor, was die Mi- 
1) Darüber giebt ein kurzer Brief Friedrichs an Boden vom 24. Mai 
Auskunfst. 
2) Der letzte Brief Friedrich Wilhelms an den Kronprinzen vom 26. Mai 
mag hier eine Stelle finden. Er lautet: Mein geliebter Sohn, ich habe Euer 
Schreiben vom 24. dieses wohl erhalten, daraus euer herzliches Mitleid mit 
meinem elenden Umstande, auch eure löbliche Entschließung in allen Stücken 
meinem vöäterlichen Rathe zu folgen ersehen; ich bin davon sehr attendiret und 
habe nicht den geringsten Zweifel an dem Effect eures Versprechens und eurer 
guten Sentiments, wenn Gott über mein veben gebieten sollte, wic es das 
Ansehen hat. Daß ihr gegen Pfingsten anhero kommen wollt, solches ist mir 
sehr lieb, und wird mir ein rechtes Vergnügen sein, euch noch zu embrafsiren. 
Euer sehr wohl affectionirter und getreuer Vater Friedrich Wilhelm. — Es 
macht einige Verwirrung, daß Friedrich erzählt, er sei am 27. in Potsdam 
eingetroffen, und die Minute zur Cabinetsordre für Thulemeier und Podewils 
doch erst vom 28. datirt ist. Der Befehl dazu war aber ohne Zweifel früher 
gegeben, und wurde vom Secretär auch nach veränderten Umständen aus- 
geführt.
	        
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