Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Erste Regierungshandlungen Friedrichs II. im Innern. 285 
Grundsatz, an dem er in sich selbst arbeitete, den der Gleichheit vor 
dem Gesetz 1). 
Eine ähnliche Bewandtniß hatte es mit der Auphebung der 
Dispensationen in Ehesachen, welche Friedrich bald darauf verfügte. 
Man weiß, um wie viel weiter, als das mosaische oder auch das 
römische Recht, die canonischen Bestimmungen gingen, wie sehr sie 
die Hindernisse einer gesetzlichen, kirchlich einzusegnenden Ehe durch 
Ausdehnung des Begriffes der Verwandtschaft und Schwägerschaft 
vermehrten. Davon hatten die Protestanten vieles fallen lassen, an- 
deres beibehalten, nicht ohne Rücksicht auf die Verbindung mit den 
Katholischen im Reiche, denen sie nicht das Schauspiel von allzu ver- 
werflich scheinenden Ehen geben wollten. Dies war jedoch kein Motiv, 
das für Friedrich II Bedeutung gehabt hätte: er erklärte jede Ehe 
für erlaubt und ohne Dispensation zulässig, die in Gottes Wort nicht 
klar verboten sei. Der Kanzler der Universität Halle 2) rühmt ihn, 
daß er die evangelische Freiheit vollends herstelle und die mosaische 
Klarheit nicht mehr durch willkürliche Zusätze verdunkeln lasse. Der 
König selbst giebt einen andern Grund an, der eine allgemeine Ueber- 
zeugung des Jahrhunderts auszumachen anfing. Man neigte sich 
damals zu der Meinung hin, daß die Bevölkerung in einem großen 
Theile von Europa eher abnehme, als anwachse. Wer kennt die 
abenteuerlichen Mittel nicht, die ein anderer Kriegsmann, der Mar- 
schall von Sachsen, zur Abstellung dieses Uebels sich aussann 3)2 
Die meisten suchten den Grund davon in den kirchlichen Verboten, 
und welche Wirkung die Milderung derselben über ganz Europa hin 
hervorgebracht hat, zeigt der Augenschein. in einem späteren Jahr- 
hundert. Von den vornehmsten war in den protestantischen Ländern 
vorlängst nicht mehr die Rede, aber auch der geringeren wollte 
man sich entledigen. Friedrich sagt ausdrücklich, daß er die Dis- 
pensation abschaffe, um den ehelichen Stand und die Bevölkerung 
zu befördern. Mit einer ganz allgemeinen Ueberzeugung durchbrach 
er den kirchlichen Gebrauch und das Herkommen der Consistorien, und 
1) Wie Beccaria bei dieser Gelegenheit sagt: la sola uguaglianza e li- 
berta che possono gli nomini ragioneroli exigere nelle presenti combi- 
nazioni di cose. 
2) In den wöchentlichen Anzeigen, ausgezogen bei Faßmann, Regierungs- 
antritt I, 74, wo auch das Rescript vom 3. Juli. 
3) Reflexions sur la hropa gation de Despece humainc. Rreries de 
Maurice Comte de Saxe 345.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.