Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

286 Siebentes Buch. Zweites Capitel. 
kehrte zu den ältesten Rechten zurück, die hier mit dem Sittengesetz 
zusammenfallen. 
Legislative Verfügungen von hoher Bedeutung, jedoch nicht völlig 
gereift noch ausgearbeitet, eigentlich erst Aufgaben für eine künftige 
Gesetzgebung, allgemeine Grundsätze, zu denen der junge König sich 
bekennt, und deren Durchführung er fordert. Sie entspringen mehr 
aus dem Gefühle davon, was das gesellschaftliche Leben in Europa 
nothwendig machte, als daß der Uebelstand, welchem sie entgegen- 
gesetzt sind, gerade hier zu Lande besonders sichtbar geworden wäre. 
So verhält es sich auch mit der Forderung einer allgemeinen 
Toleranz, die Friedrich aufstellte; doch zugleich hatte diese eine höhere 
politische Bedeutung. 
Noch war überall die Theilnahme so zu sagen an der Wohlthat 
des Staates an eine bestimmte Confession geknüpft; die Staats- 
gewalten selbst waren durch die strengsten Gesetze daran gebunden. 
Von den zahlreichen geistlichen Fürsten in Deutschland versteht 
es sich von selbst; sie mußten die hierarchischen Ideen festhalten, 
welche den Grund ihrer Autorität ausmachten; — aber auch der 
Kaiser, der seine Krone noch in dem kirchlichen Pomp der früheren 
Jahrhunderte empfing; dessen Macht im Reiche mit der Erhaltung 
der hierarchischen Institutionen auf das genaueste zusammenhing, war 
darauf angewiesen; die Gewalt des Wiener Hofes in sich selbst konnte 
ohne diesen kirchlich-katholischen Bestandtheil kaum gedacht werden. 
So hatte sich die königliche Macht in Frankreich seit den religiösen 
Bürgerkriegen, in denen die Hugenotten unterlagen, und besonders 
seit der letzten Verfolgung und Verjagung derselben, mit den Ideen 
der Alleinherrschaft des Katholicismus bis in die innersten Fasern 
durchdrungen. Dagegen war in England zwar vorlängst ein Dul- 
dungsact verkündigt worden, aber nur zu Gunsten der dissentirenden 
Protestanten, nicht der Katholiken, die durch den heftigen Angriff, 
den sie unter Jacob IUl auf die Freiheiten des Landes unternommen, 
sich eine Ausschließung von allen öffentlichen Aemtern zugezogen 
hatten. Den besondersten Anblick bot in der Nachbarschaft ein alt- 
protestantisches Land dar, wo jetzt die Hinneigung zum Katholicismus 
eher einen Anspruch gewährte. Den König von Polen, Kurfürsten 
von Sachsen umgab ein Gewissensrath — nicht ohne einen eifrigen 
Beichtvater — welcher Zwecke der Bekehrung in die Landesverwaltung 
brachte, sowie in die Politik: es galt als eine Empfehlung, wenn 
man sich von der Landesreligion abwandte und der Religion des 
Hofes zugesellte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.