Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

288 Siebentes Buch. Zweites Capitel. 
der kirchlichen Gemeinschaft in das individuelle Belieben wünschens- 
werth erschienen sei. Dies hatte selbst der Hauptverkündiger des 
Grundsatzes, John Locke, ausdrücklich zurückgewiesen. Wir finden 
frühe Cabinetsordres, worin Friedrich die Seelsorge fleißiger Prediger 
rühmt, sich bereit erklärt, sie zu belohnen, einen und den andern 
warnt, dieses sein Amt nicht über literarischen Beschäftigungen zu 
vernachlässigen 1). Es ist einer seiner Hauptgrundsätze, den Glauben 
seiner Völker nicht anzutasten, ihnen kein Aergerniß zu geben. Nur 
wollte er keine confessionellen Gewaltsamkeiten dulden, nicht dem einen 
Bekenntniß ein Uebergewicht über das andere gestatten. Es sollten 
Zeiten kommen, wo er sogar wünschte, Katholiken an seinem Hofe 
zu haben. · 
Kein Mensch könnte leugnen, daß diese Gedanken von unberechen- 
barer Wichtigkeit für Deutschland und die Welt geworden sind. 
Sahen wir nicht, daß es hier noch im Jahre 1740 gleichsam 
eine auswärtige Politik der beiden Religionsparteien, einander gegen- 
über, gab, daß man Düsseldorf als eine Grenzfeste des Katholicismus, 
die Aemter an der Agger für unentbehrlich zu dem gesicherten Be- 
stehen der Partei betrachtete. 
amit mußte es ein Ende gewinnen, und wenn man sich in 
dem gesetzlichen Mittelpunkt des Reiches, am kaiserlichen Hofe, zu 
diesem Gesichtspunkte nicht erhob, noch erheben konnte, so war es an 
einer andern Stelle nothwendig. 
Zugleich aber schlug man damit eine der großen Richtungen des 
Jahrhunderts überhaupt ein. Allenthalben erhob sich, und zwar, wie 
berührt, nicht ohne tiefe historische Nothwendigkeit, die Tendenz, die 
Schranken zu durchbrechen, die in der allzu engen Verbindung der 
religiösen Ideen mit den politischen Rechten lagen: der allgemeine 
Geist wandte sich davon ab. Was man an so vielen Orten mit 
auf S. 119 nicht mehr. Friedrich wollte ohne Zweifel, daß die katholischen 
Schulen, über deren Bekehrungssucht man klagte, nichb aufgehoben, aber ihnen 
darum doch keine Uebergrisse gestattet werden sollten. Er schrieb übrigens 
um für den Fiscal, nicht für das Publikum. .. 
1) An den jungen Beausobre 15. Nov. 1742. Le devoir de votre 
charge d'’üme doit etre pröfert aux traraux duc ’édition ete. demande. 
An den Prediger Höpner 28. Juni 1741. Im Antimacchiavell heiß es ch. 25, 
169: La politique veut, que le prince ne touche point à ln foi de ses 
penples. Testam. politique de 1752. II faut savoir assez respecter le 
public, pour ne le pas scandoaliser dans son culte, de quelque religion 
qu’il soit.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.