Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

24 Fuluftes Buch. Exrstes Capitel. 
Parteien in Berlin, die einander in Staat und Gesellschaft bekämpften. 
Die eine von diesen, die sich dem Fürsten von Anhalt anschloß, dieser 
selbst, sowie der Vertraute Grumbkow wurden von Klement des Ver- 
raths bezüchtigt. Es wirft ein eigenthümliches Licht auf die Verhält- 
nisse in Berlin, daß Ilgen damit unzufrieden war, wenn zur Begleitung 
Klements, der, um seine Papiere zu holen, noch einmal nach dem 
Haag ging und wieder zurückkam, ein Offizier verwandt wurde, der 
als ein Anhänger des Fürsten von Anhalt galt. Manche hielten den 
Fürsten für fähig, die alten Ansprüche des askanischen Hauses in der 
allgemeinen Verwirrung, die zu erwarten war, wieder zu erncuern. 
Auch sonst war in den höchsten Kreisen Alles wider einander; einer 
sprach schlecht von dem andern. Der König wußte nicht, wem er 
trauen, was er denken sollte. Um Niemand, der um die Sache wissen 
könne, entschlüpfen zu lassen, wurden am 9. December 1718 plötzlich 
die Thore der Stadt geschlossen; kein Mensch hinausgelassen, selbst 
nicht die Bauern, die, um ihr Getreide zu verkaufen, hineingekommen 
waren. Patrouillen durchzogen die Stadt; man sagte, der König 
habe sich selbst in der Nacht dabei betheiligt. Haussuchungen wurden 
gehalten und Verhaftungen vorgenommen, Männer und Frauen, die 
bisher in den höchsten Gnaden gestanden, wohl noch eben an der 
königlichen Tafel gespeist hatten, plötzlich nach Spandau abgeführt. 
Wenn auch Klement selbst dahin gebracht wurde, so geschah das 
mit der auödrücklichen Versicherung der königlichen Gnade; aber, 
sagte man ihm, in so wichtigen Angelegenheiten müsse man nun ein- 
mal sicher gehen. Wie sehr der König von der Wahrhaftigkeit Klements 
durchdrungen war, sieht man aus zwei Schreiben, die er damals erließ: 
das eine an den polnisch-sächsischen Hof, das andere an Prinz Eugen 
(10. December), welche sehr geeignet waren, die widerwärtigsten Ein- 
drücke hervorzubringen. Dem König von Polen wurde angezeigt, daß 
er sich anderer Organe, als der bisherigen bedienen müsse, wenn er 
mit dem preußischen Hofe verhandeln wolle: dem Prinzen Eugen 
wurden die Anklagen Klements in aller ihrer Crudität gemeldet; zwar 
mit der Versicherung, daß man sie nicht glaube, aber doch in einem 
sehr herausfordernden Tone. Bald darauf fügte der Zufall, daß Prinz 
Eugen und Flemming bei einem Mittagsmahl, das der in Wien an- 
wesende Kurprinz von Sachsen gab, zusammentrafen. Der sonst sehr 
schweigsame Eugen gedachte dieser Sache nicht ohne Entrüstung: er stehe 
an der Spitze des kaiserlichen Kriegsheeres, aber mit Banditen habe 
er Nichts zu schaffen; er zeigte einen würdigen Stolz, ein beleidigtes 
moralisches Selbstgefühl. Graf Flemming sah in der Aufwallung des
	        
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