Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Auswärtige Geschäfte in den ersten Monaten. 301 
So sprach der Sterbende. Er drückte nicht allein seine Ge- 
sinnung noch einmal aus, sondern er bezeichnete den Standpunkt, 
auf welchem er die Dinge seinem Nachfolger hinterließ. 
Das, was er als das Nächste vorausgesehen, trat sofort nach 
seinem Tode ein. Noch ehe eine amtliche Anzeige von demselben ge- 
macht worden, erschien schon einer der deutschen Minister des Königs 
oon England, mit einem für diesen Fall im voraus abgefaßten Be- 
glaubigungsschreiben versehen, in Berlin. Sein Antrag lautete nicht 
allein auf eine Erneuerung des erblichen Bündnisses zwischen den 
beiden Häusern, die bei jedem Regierungswechsel geschehen solle, sondern 
besonders auf vertrauliche Besprechung über die Lage der öffentlichen 
Geschäfte, um vereinigte Rathschläge darüber zu fassen ½. 
Und wie hätte sich, da der Fürst, der den Thron bestieg, einst 
in seiner Jugend eine unzweifelhafte Vorliebe für England kund- 
gegeben und darüber so viele Widerwärtigkeiten bestanden hatte, in 
Georg II nicht die Hoffnung regen sollen, ihn ganz auf seine Seite 
zu ziehen? Gehörte er doch selbst durch Mutter und Großmutter 
dem hannoverschen Hause an. Von seiner Mutter, welche jene Hin- 
neigung getheilt, und der er eine unbeschreibliche Ehrerbietung wid- 
mete, durfte man vermuthen, daß sie einen gewissen Einfluß zu 
Gunsten dieser Richtung auf ihn ausüben werde; noch lebten Mi- 
nister, welche die öffentliche Stimme in Berlin geradezu für han- 
noverisch erklärte. In der That waren die, welche Friedrich hiebei 
zu Nathe zog, der Meinung, daß man einer so freundschaftlichen 
Annäherung sich #entziehen müsse. * 
Der junge König theilte jedoch diese Ansicht mit Nichten. Eben 
das war das Ergebniß jener stürmischen Jahre, daß die engen eine 
selbständig politische Bewegung hemmenden Bande der Verwandtschaft 
wenn nicht aufgelöst doch unwirksam geworden waren. Friedrich 
war von seiner Vorliebe längst zurückgekommen. Seiner angeborenen 
Sinnesweise und der Entwickelung, die seine Gedanken nahmen, wider- 
sprach es, die Blutsverwandtschaft als einen Grund der politischen 
Verbindung anzusehen. Ueberdies berührte ihn die Eile, das Drin- 
gende des Anerbietens eher unangenehm. Er gab dem Gesandten, 
Münchhausen 1), die besondere Audienz nicht, die er verlangte, sah 
1) Friedrich Thulemeier 5. Juli: eroyxant en effet, qu'il ne fandra 
rien précipiter tant plus, quc le memionné traité étant regardé comme 
Perbetucl ct obligatoire il suffira, juscn'’à ce, due le tems nous Cclair- 
cira sur les vues et les véritables dispositions des Français et des 
Anglais.
	        
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