Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Ursprung der Unternehmung auf Schleslen. 323 
An diesen Anspruch knüpfte es an, wenn der große Kurfürst 
schon siebzig Jahre früher die Idee faßte, sich Schlesiens zu bemäch- 
tigen, und einen Plan dazu für den Fall, daß der Mannsstamm des 
Hauses Oesterreich ausgehe, entwarf. Wir berührten, welche Motive 
aus früheren Bezichungen und der damaligen Lage ihn dazu ver- 
mochten. Analoge Verhältnisse der deutschen benachbarten Fürsten 
bestanden noch immer. 
Der Entwurf ist aus einer Zeit, in welcher die erbverbrüderten 
piastischen Fürstenthümer in Schlesien noch nicht an das brandenbur- 
gische Haus übergegangen waren. Die jagellonischen Könige und 
obersten Herzoge hatten diesen Fürsten das ausdrückliche Privilegium 
ertheilt, daß sie ihre Städte, Lande und Leute mit allem ihren Ein- 
kommen, — worüber bei ihren Lebzeiten zu verfügen, ihnen schon 
kraft älterer Rechte freistand, — durch Testament und auf dem Tod- 
bett sollten vergeben dürfen, wie sie und ihre Erben am besten zu 
Rathe werden würden. Auf den Grund dieser, noch ehe das Haus 
Oesterreich in den Besitz der böhmischen Krone und des obersten 
Herzogthums in Schlesien gelangt war, festgesetzten, durch Brief und 
Siegel sanctionirten Befugniß, war der Erbvertrag geschlossen wor- 
den, den König Ferdinand zu genehmigen verweigerte. 
Wir bemerkten oben, in wie ferne Zeiten und Zustände dieser 
Streit zurückgreift; er beruhte auf dem Verhältniß der böhmischen 
Krone zu den erbgesessenen Herzogen von Schlesien alter Herkunft. 
Deren Rechte lebten in den Brandenburgern fort. Die Rechte der 
Krone repräsentirte das Haus Oesterreich. 
Die rechtliche Frage wäre: hatte Ferdinand l, dessen Stellung 
jedoch nicht nach den Gewohnheiten späterer Zeiten, nicht einmal 
des deutschen Herzogthums, sondern nach den Verhältnissen der alten 
piastischen Besitzer Schlesiens zu dem von ihnen angenommenen obersten 
Herzog zu beurtheilen ist, ein Recht, die Genehmigung des Erb- 
vertrages zu verweigern oder nicht? 
Wie gesagt, der Historiker wird sich nicht zum Richter in strei- 
tigen Rechtsfragen aufwerfen. Niemand aber dürfte leugnen, daß das 
Haus Brandenburg in gutem Glauben handelte, und einen wohl- 
begründeten Anspruch für sich hatte. 
4. Auch hatten nicht Rechtssprüche, sondern Weltereignisse, große 
Schlachttage, gegen Brandenburg entschieden. In Folge der Schlacht 
von Mühlberg waren die Herzoge von Liegnitz genöthigt worden, auf 
jene Erbverbrüderung Verzicht zu leisten. In Folge der Schlacht am 
weißen Berge hatte der Kaiser Jägerndorf eingezogen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.