Friedrich Wilhelm I. und die Politik von 1715 — 22. 27
kein Zweifel konnte sein, daß diese Mächte nunmehr bei dem Ueber-
gewicht, das sie in Stockholm besaßen, den Frieden dictiren würden.
Es lag offenbar in der Hand von England, die definitive Abtretung
Vorpommerns bei Schweden durchzusetzen.
Zwischen der westlichen und östlichen Macht im Gedränge, auf
der einen Seite im Begriff, seine große Erwerbung definitiv an sich
zu bringen, auf der andern abgeneigt, von seiner Verbindung mit
Rußland abzustehen, gerieth Friedrich Wilhelm in eine innere Agi-
tation, in der er den extremsten Anwandlungen Raum gab, die
ihn auf das Krankenlager warfen. Indem er sich entschloß, seine alte
Verbindung mit England zu erneuern, verlangte er doch die Zusage,
daß die Friedensunterhandlungen mit Rußland zugleich in die Hand
genommen würden. Und so viel erreichte er in der That, daß ihm
dies von den englischen Bevollmächtigten versprochen wurde. Am
17. August 1719 kam es zu zwei verschiedenen Verträgen zwischen
Friedrich Wilhelm und Georg I, einem, in welchem dieser als Kurfürst
von Hannover, und einem zweiten, in welchem er als König von
England auftritt. Für die allgemeinen Angelegenheiten hat der
letztere eine überwiegende Bedeutung. Die beiden Könige verbinden
sich, gemeinschaftlich für die Herstellung des Friedens mit Schweden
zu arbeiten, für ihre besonderen Interessen Sorge zu tragen. Sie
wollen vor allem den Verkehr auf der Ostsee auf den alten Fuß her-
stellen; dann aber auch alle Feindseligkeiten gemeinsam abwehren, die
gegen den einen wegen seiner Succession in Groß-Britannien und
gegen den anderen wegen der den Schweden entrissenen Provinzen
erhoben werden könnten 1). Sie garantiren einander gegenseitig die
Succession und diese Provinzen. Sollte wegen des mit Schweden zu
treffenden Friedens oder der zur Ausführung desselben genommenen
Maßregeln irgend eine Macht sie angreifen, den König von Preußen
1) Art III. Sa NMajesté Prussienne s'’engage pour elle et pour ses
heritiers et successeurs à garantir la succession de la Grande-Bretagne
ainsi qu’elle est établie par les loix du roraume en la personne de Sa
Majesté Britannique et de ses héritiers dans la ligne protestante, en
Ca duc S. Maj. Brit. ou ses héritiers soyent troublés dans la dite
succession Sa Maj. Prussienne leur fournira à leur réquisition un secours
de 6000 h. de pied. — Art. IV. En échange Sa Majesté Britannique
F’engage comme roi de la Grande-Bretagne pour elle ses héritiers et
successcurs à la garantic du traité conclu aujourdbui entre elle comme
Clecteur de Brunsvic et sa Majesté Prussienne s'obligeant de garantir.
à Sa Majesté Prussienne qu’'elle possede des provinces qui ont cy-devant
appartenu à la couronne de Suede, et de fournir à Sa Majesté Prus-