Ursprung der Unternehmung auf Schlesien. 327
schrift des großen Kurfürsten, die wie ein heiliges Vermächtniß von
einer Generation zur andern überging, auch von Friedrich gelesen
worden war. Von seinen Vorfahren war es eben der große Kur-
fürst, den er am meisten beachtete, in dessen Fußstapfen zu treten er
sich vorgenommen hatte. Der Fall, der dabei vorausgesetzt wurde,
war nun eingetreten; der Mannsstamm des Hauses Oesterreich war
ausgestorben. Die Denkschrift enthält gleichsam ein Programm der
Eroberung. Da er fähig war, sie auszuführen, wie hätte er nicht
die Absicht dazu fassen sollen?
Am ersten Tage, wo Friedrich jene Nachricht empfing, stand der
Entschluss bei ihm fest, sich Schlesiens zu bemächtigen. Welch ein
ganz anderer Gegenstand des Ehrgeizes, als jenes Berg, dessen Besitz,
wenn er auch ohne Schmälerung erworben wurde, über die Stufe
der Macht nicht wesentlich erhob, auf der sich der Staat befand.
Wir wüßten nicht, daß er über die Absicht selbst einen Augenblick
gezweifelt oder Jemand zu Rathe gezogen hätte.
Doch mußten die Mittel erwogen werden, die zur Erreichung
derselben anzuwenden waren. Dazu berief Friedrich die beiden Ver-
trautesten unter seinen Dienern für Krieg und Frieden, den Minister
Podewils und den Feldmarschall Schwerin, Männer von erprobter
Geschicklichkeit, deren Gesinnung der seinen am nächsten stand, auf
seinen Landsitz Rheinsberg.
Schon am 29. October haben sie nach einer vertraulichen Er-
öffnung des Königs ihm ein gemeinschaftliches Gutachten darüber
vorgelegt 2).
Sie hegten keinen Zweifel, daß über die Erbfolge des Kaisers
eine große europäische Bewegung ausbrechen würde; und so stellten
sich ihnen zwei verschiedene oder vielmehr entgegengesetzte Systeme
dar, von denen man das eine oder das andere ergreifen müsse. Man
konnte sich entweder dem Angriff zugesellen, oder vielmehr die Ver-
theidigung übernehmen. So sonderbar es Späterlebenden erscheinen
mag, so war es ihnen mit dem letzteren voller Ernst.
Ihre Meinung war, da sich der Wiener Hof von dem äußersten
Verderben bedroht sehe, so werde er vielleicht eine Abkunft mit Preußen,
als das einzige Mittel sich zu retten, ergreifen. Man müsse ihm vier
Dinge antragen: 1. Vertheidigung seiner Erblande, namentlich der
1) In der Handschrift von Podewils vorhanden. Die Ausschrift lautet:
Dressé et concertée avec Son Excs le Feldmaréchal Gl, Comte de Schwerin
a Rheinsberg le 29. Octobre 1740 par ordre du roi.