Besitzergreifung von Schlesien. 345
Flecken und Dörfer in seinen erblichen Fürstenthümern ihrer Kirchen
sowohl wie ihrer Prediger zu berauben; nicht ohne eine Art von
Bürgerkrieg. Wie oft haben die Bauern sich zusammengeschaart, um
ihre Kirchen mit ihren Leibern zu decken 1), aber der offenen Gewalt
erlag der Trotz der Bauern, wie der Widerspruch der Städte vor
ihr zurückwich. Mußten doch selbst tapfere Kriegsanführer ihre Haus-
kapellen versiegelt sehen. Ein großes Unglück für die Protestanten
war der Abgang der liegnitzischen Piasten, die ihnen bisher noch
eine Zuflucht gewährt hatten und die Einziehung ihrer Herzogthümer.
Was anderwärts gelungen, ward nun auch hier durchgesetzt; fast
mehr durch Drohung als durch Anwendung der Waffen, mit wohl-
bedachtem, langdauerndem, systematischem Druck:). Binnen vierzig
Jahren ward die evangelische Predigt auch dort von dem platten
Lande und aus einem großen Theile der Städte vertrieben.
Eine mächtige Dazwischenkunft übte einst Carl XII aus. Wenn
es wahr ist, was die Schweden erzählen, daß ihm das Land Hadeln
geboten worden sei, wofern er von dem Schutze der schlesischen Pro-
testanten abstehe, so ist es eine auch moralisch bedeutende That, daß
er nicht darauf einging, sondern in der Altranstädter Abkunft we-
nigstens für die früher mittelbaren Herzogthümer und die Stadt
Breslau einen erträglichen Zustand festsetzte). Der Wiener Hof hat
dieselbe im Allgemeinen beobachtet, aber sein System konnte er darum
nicht ändern; die katholische Kirchenform wurde nach wie vor allein
als die wahrhaft berechtigte betrachtet. Die Protestanten waren vom
Staat und den bürgerlichen Aemtern, wenn auch nicht allezeit vom
Heere ausgeschlossen. Sie mußten die katholischen Feiertage halten,
den katholischen Eheverboten nachkommen; ihre Consistorien standen
unter katholischen Regierungen und Vorstehern, und durften nur nach
deren Beschlüssen verfahren 1). Uebertritt zu ihnen wurde als Apostasie
1 H. Wuttfe: Friedrich des Großen Besitzergreifung von Schlesien, Bd.
II, S. 165; gute Zusammenstellung des zerstreuten Materials. Besonders
charakterisiisch ist der aus Erhardts Presbyterologie S. 216 mitgetheilte Be-
richt über die Besinnahme des Krommendorfer Kirchhofes.
2) Gravamina. specialia Ducatum L.iegnitz, Brieg et Wohlau; bei
(Schütz) Schlesische Kirchenhistorie 1715, S. 321, andere dem Kaiser ein-
hegebene S. 4900.
3) Adlerfeldt, Leben Carls XII, Bd. III. S. 21. N. Andere erklärten
es wenn nicht für seine beste That, doch für seine schönste Trophäc. Vgl.
Stenzel, Preuß. Geschichte III, 159.
4) Hensel, Schlesische drchengeschiche S 650. Agl. Menzel, hier sehr
anthentisch: deutsche Geschichte Bd. X, S. 165