Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Inneres und äußeres Verhältniß des Wiener Hofes. 371 
ihm ein fast zu großes Maß bei. Der Herr, sagte man ihm einst, 
führt den Hof tief hinein; Bartenstein antwortete: ich werde auch 
wissen ihn wieder herauszuführen. Gegen Ende Carls VI genoß er 
ein Ansehen, das seinem Einfluß entsprach. Wenn er des Abends 
bei seinem Billard sichtbar wurde, drängte sich Alles um ihn, die 
fremden Gesandten und der junge einheimische Adel. 
Bei dem Thronwechsel nun, — denn am großherzoglichen Hofe 
hatte man ihm immer Ungunst bewiesen —, fürchtete Bartenstein 
den Verlust seines Ansehens. In einer der ersten seiner Audienzen 
bei der neuen Königin senkte er ein Knie vor ihr und bot ihr seine 
Abdankung an. Sie war, wie sie selbst sagt, voreingenommen gegen 
ihn; aber sie fühlte jetzt, daß dieser Mann allein ihr zum Werkzeug 
dienen könne, um sich keinen fremden Willen aufdringen zu lassen. 
Sie erwiederte ihi, das sei nicht die Zeit, wo er abdanken dürfe: 
er möge fortfahren, so viel Gutes zu thun, als er vermöge: Böses 
zu thun, dieses herben Wortes hat sie nach ihrer eigenen Erzählung 
sich bedient, werde sie ihn schon zu verhindern wissen. Sie sah dar- 
über hinweg, daß er wenig Welt besitze, und ihr selbst im Cabinet 
oder im versammelten Rathe beleidigende Dinge sagte; sie bemerkte 
nur, daß er trefflich unterrichtet, im höchsten Grade arbeitsam war, 
unbestechlich, zuverlässig 7). 
Dabei also blieb es auch unter der jungen Königin, daß sich 
am Hofe und in der Conferenz zwei verschiedene Parteien oder viel- 
mehr Richtungen der Meinung erhielten. 
Die Parteien in Deutschland pflegen sich nicht allein darin zu 
unterscheiden, was sie zuletzt wollen, sondern auch in der Ansicht der 
Dinge und der Persönlichkeiten, mit denen sie in Berührung kommen: 
theoretische Hartnäckigkeit nährt ihren Eifer. Maria Theresia ur- 
theilte, daß die Differenzen ihrer Minister von der Ambition eines 
jeden, seine Meinung durchzusetzen, herrühren. Bartenstein gewann 
ihre Gnade zunächst dadurch, daß er den Ausbruch offenen Streites 
nicht allein zwischen ihnen, sondern auch mit ihr selbst verhinderte, 
so daß sie nicht genöthigt wurde, zu gewaltsamen Maßregeln zu 
schreiten, die ihr sehr schwer geworden sein würden. Sie sah in ihm 
ihren vornehmsten Rathgeber, einen ausgezeichneten Staatsmann, und 
er wußte dann die Meinung, die sie im Einverständniß mit ihm gefaßt 
1) C'étoit un robin: he spoke as he vrote he bad offended her 
with his unsmooth discourses in the cabinet and in the council. So 
drlickt sich Maria Theresia im Juli 1743 gegen den englischen Gesandten 
über ihn aus. 
241
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.