Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Juneres und äußeres Berhältniß des Wiener Hofes. 373 
Rücksicht nahm. Wenn es früher einmal schien, als könne Barten- 
stein dieser Macht Dienste erweisen, so hatte sich das Gegentheil längst 
gezeigt; schon durch die Heftigkeit der Hofdecrete in der Herstallschen 
Sache, die eben dem einseitigen Eifer des Staatssecretärs Schuld 
gegeben wurde. Für die folgenden Eröffnungen Preußens fehlte 
es Sinzendorf und seinen Freunden vielleicht nicht an allem Sinn, 
insofern sie eine Herstellung der großen Allianz immer im Auge be- 
hielten, und einige eingehende Worte ließen sie verlauten; aber die- 
jenigen, die nun einmal ihr Vertrauen auf Frankreich setzten, konnten 
darauf nicht hören. Die Idee, von welcher Friedrich ausging, daß 
die Franzosen ihre alten Pläne gegen Oesterreich erneuern und es zu 
verderben suchen würden, war eben das Gegentheil von dem, wovon 
sie sich überzeugt hielten. Durch jede Annäherung an eine andere 
Macht fürchteten sie sich Frankreich zu entfremden und eine Gefahr 
eher hervorzurufen, als zu beseitigen. 
Wie ein Blitzstrahl aus heiterer Luft traf sie die Nachricht von 
den Vorbereitungen des Königs von Preußen zu einem Einfall in 
Schlesien. 
Die ersten Anzeigen von diesem Vorhaben empfing man in Wien 
am 5. December, doch konnte man sich nicht entschließen, ihnen 
Glauben beizumessen. Am 9. langte ein Offizier an, der von den 
Bewegungen der preußischen Regimenter gegen Schlesien Meldung 
machte. Am 12. ließen die einlaufenden Nachrichten keinen Zweifel 
mehr übrig; man bekam die Liste der beorderten Regimenter, erfuhr 
die Namen der zum Nachtlager des Königs bestimmten Ortschaften. 
Hierauf ward Conferenz auf Conferenz gehalten. Die Einen 
waren der Ansicht, Friedrich werde sich gewiß nur eine Aenderung 
des zuletzt in der bergischen Sache angenommenen Systems erzwingen 
wollen; die Anderen: ein neuer Carl XII steige in ihm auf, und 
man habe Alles von ihm zu besorgen. Die herrschende Ueberzeugung 
war, daß man ihn leicht bestehen werde. Es sei möglich, daß er 
zunächst im Felde die Oberhand behalte: aber die festen Plätze werde 
man schon behaupten, und ihn dann mit ein paar Husarenregimentern 
wieder verjagen; überdies aber, die Königin habe Freunde, die sich 
ihrer annehmen würden; unmöglich könne das Reich den Einfall eines 
Kurfürsten in das Gebiet eines anderen Kurfürstenthums während 
eines Interregnums ungeahndet lassen. Man gab die Meinung kund, 
der Angriff des Königs werde auf seinen Kopf zurückfallen. 
Indem der König zu den Waffen griff, hat er auch Unterhand- 
lungen eröffnet. Am 9. December beschied er Botta in das Schloß
	        
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