Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Inneres und äußeres Verhältmiß des Wiener Hofes. 375 
In Berlin hatte man sich nicht verhehlt, daß ein bewaffnetes 
Eindringen natürlichen Widerstand erwecken würde, aber darauf ge- 
rechnet, daß dies Gefühl durch die viel größere Gefahr, die von einer 
andern Seite her drohe, gemäßigt und eine Unterhandlung auf der 
vorgeschlagenen Grundlage eingeleitet werden könne. Die am Hofe 
zu Wien vorherrschende Meinung wollte aber eine solche Gefahr nicht 
erkennen, leugnete ihre Existenz ab; man sah in dem preußischen 
Unternehmen einen einseitigen Angriff, den man um jeden Preis 
zurücktreiben müsse, und auch ohne viele Schwierigkeit zurückzutreiben 
im Stande sei. Der Großherzog sprach sich dahin aus: die Kö- 
nigin dürfe von ihren Erblanden Niemandem auch nur einen Zoll 
breit abtreten, wenn sie nicht die vermeinten Ansprüche vieler An- 
deren rege machen wolle; eher würde sie sich mit allen Anderen ver- 
tragen, eher würde sie die Türken vor Wien kommen lassen, ehe sie 
auf Schlesien Verzicht leiste. Was ihn betreffe, so solle man nicht 
sagen, daß er einen Augenblick daran gedacht habe, zur Kaiserkrone 
zu gelangen, gegen den Verlust einer Provinz; er müßte der letzte 
aller Menschen sein, wenn es ihm beikäme; lieber wolle er sich unter 
den Ruinen der Welt begraben lassen. 
Nur einmal trat der Großherzog einen Schritt näher. Als ihm 
Gotter am Neujahrstage 1741 sagte, sein König bestehe nicht auf 
das gesammte Schlesien, warf er die Frage auf, was man demselben 
anbieten solle: Schwiebus werde ihm zu wenig, #dagegen die Hälfte 
von Schlesien für Oesterreich bei weitem zu viel sein; es sei unendlich 
schwer, eine Abkunft zu treffen, doch wolle er nicht die gänzliche Un- 
möglichkeit davon behaupten. Mehr konnte er nicht sagen; eben 
klopfte seine Gemahlin an die halbgeöffnete Thür, und er zog sich un- 
verweilt in die Gemächer derselben zurück. 
Noch immer war im Grunde die Frage offen, ob man über- 
haupt in Unterhandlungen eintreten wolle oder nicht. 
Es ist gewiß, daß der Großherzog nicht dagegen und Sinzen- 
dorf sehr dafür war; er hat den englischen Gesandten einst gefragt, 
was er dazu sage; dieser antwortete: seinem Könige könne es nicht 
anders als erwünscht sein. 
Aus den Aufzeichnungen Maria Theresia's entnehmen wir, daß 
der oberste Kanzler von Böhmen, Kinsky und der Graf Harrach, der 
déj prévenu et à garde contre moi, les esprits agitées et animés de 
vengeance.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.