Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Inneres und äußeres Verhältniß des Wiener Hofes. 377 
von ihrem König bestimmter als bisher in Kenntniß gesetzt, daß er sich 
mit einem Theile von Schlesien begnügen werde 1), faßten die preußi- 
schen Gesandten die Hoffnung, es doch noch zu einer Unterhandlung zu 
bringen; gegen ihre ursprüngliche Absicht gaben sie die ermäßigten For- 
derungen ihres Königs sammt seinen Anträgen förmlich zu. Protocoll. 
Aber ihre Erwartung täuschte sie. Das Wiener Cabinet benutzte die 
preußischen Anträge, um sie den europäischen Höfen, namentlich denen, 
gegen welche die darin ausgesprochenen Anerbietungen gingen, mit- 
zutheilen. In der Sache selbst beharrte es bei der von Anfang an 
gegebenen Erklärung, daß keine Unterhandlung stattfinden könne, ehe 
der König nicht Schlesien wieder verlassen habe; wie der Großherzog 
sagte: da das Schwert gezogen sei, so höre jede Verhandlung auf. Der, 
Ausdruck, daß es einem Kurfürsten zu Brandenburg zukomme, einem 
künftigen Kaiser die Dienste eines Kämmerers zu leisten, statt ihn 
mit feindlichen Waffen zu überziehen, finde ich nicht wörtlich in den 
Berichten: aber er mag mündlich mitgetheilt worden sein; der Sinn 
einer althergebracheen Superiorität, die plötzlich verletzt, sich um so 
mehr hervorzuheben sucht, erscheint in jedem Worte, jeder Bezeigung. 
Die Königin drückt sich so aus, als seien alle göttlichen und mensch- 
lichen Rechte in ihr beleidigt . 
Es giebt geistige Atmosphären, die nichts miteinander gemein 
haben. Die Meinungen quellen an einer Stelle aus anderen Wahr- 
nehmungen und Anschauungen, aus einem andern Boden auf, als 
an einer andern; man athmet so zu sagen in anderen Gedanken. 
Welch ein Unterschied zwischen dem Hofe zu Wien, der nur seine 
alte Hoheit fühlte, und dem preußischen Feldlager, wo Alles in 
emporstrebender Thätigkeit lebte. Die Verwerfung des preußischen 
Unternehmens war in Wien so einmüthig und stark, daß sie selbst 
die beiden preußischen Gesandten ergriff. Borcke schrieb seinem König 
geradezu: wenn er bei dem Entwurf zugezogen worden wäre, würde 
1) Friedrich an Gotter und Borcke 26. Jan. Vous pouvez memc in- 
sinuer an duc, qu’encore duc j'ai demandée Dentière cession de cette 
Province, je saurais y apporter de la moderation et me contente Q'une 
bonnc partie de ce pays, pour vu dwiil plait à la reine de longrie 
(Lentrer avec moi dans un accommodement. 
2) Die Gesandten werden von Robinson getadell, daß sie sich an Barten- 
siein, und da dieser „uffected not to dign to hear of their proposals“, an 
dessen Schwiegersohn Knorr gewendet, der nun aussprenge, Preußen biete 
flür einige Herzogthümer 6 Mill. G. an, wofern der Hof zu Wien den Frau- 
zosen Krieg ankündigen wolle.
	        
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