Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Zweites Capitel. 
Politik von Frankreich; dessen Annäherung an Preußen. 
Der Wiener Hof setzte ein unbedingtes Vertrauen auf die enge 
Allianz, die er mit Frankreich geschlossen hatte, auf den Mann, der 
die Politik dieses Landes leitete. Maria Theresia hat wohl später 
die Meinung ausgesprochen, erst durch den Einfluß von Preußen sei 
dieser irre gemacht, in eine andere Richtung fortgezogen worden: sie 
war aber dabei ohne Zweifel im Irrthum. 
An den Ereignissen haben wir Cardinal Fleury schon kennen 
gelernt. Wenn man mit ihm sprach, so hätte man ihn nicht für 
ehrgeizig halten sollen. Er besaß überhaupt den Zauber einer an- 
genehmen Unterhaltung, die dem Alter so wohl anstehende Gabe 
leichter Erzählung, Kenntniß der Literatur, mit der er sein Gespräch 
würzte; Niemand erschien liebenswürdiger, feiner. Kam er auf die 
Geschäfte zu sprechen, so hörte man nichts als friedliche Aeußerungen, 
und man glaubte ihm um so leichter, da seine bedachtsame Art und 
Weise von Vielen als Zaghaftigkeit getadelt ward. Aber schon in 
den Dingen des gemeinen Lebens wurde er von denen, die ihn näher 
kannten, wenn wir ihre Ausdrücke wiederholen dürfen, „als ein feiner 
Fuchs, als ein großer Praktikus“ betrachtet; in den öffentlichen be- 
wiesen die Erfolge, wie tief er seine Pläne anlegte, wie geschickt und 
geheimnißvoll er fortschritt, bis seine Combinationen sich erfüllten 
und das Erwünschte sich als eine nothwendige Auskunft Platz machte. 
Er hatte nichts dagegen, daß man indessen auf ihn schalt. Er liebte 
nicht wie Andere, auf dem Wege zu seinem Ziele zu glänzen, sondern 
nur dies zu erreichen. Das vornehmste aber, das ihm vorschwebte, 
vor dem ihm alle Rücksichten und Dinge verschwanden, war das all-
	        
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