Zweites Capitel.
Politik von Frankreich; dessen Annäherung an Preußen.
Der Wiener Hof setzte ein unbedingtes Vertrauen auf die enge
Allianz, die er mit Frankreich geschlossen hatte, auf den Mann, der
die Politik dieses Landes leitete. Maria Theresia hat wohl später
die Meinung ausgesprochen, erst durch den Einfluß von Preußen sei
dieser irre gemacht, in eine andere Richtung fortgezogen worden: sie
war aber dabei ohne Zweifel im Irrthum.
An den Ereignissen haben wir Cardinal Fleury schon kennen
gelernt. Wenn man mit ihm sprach, so hätte man ihn nicht für
ehrgeizig halten sollen. Er besaß überhaupt den Zauber einer an-
genehmen Unterhaltung, die dem Alter so wohl anstehende Gabe
leichter Erzählung, Kenntniß der Literatur, mit der er sein Gespräch
würzte; Niemand erschien liebenswürdiger, feiner. Kam er auf die
Geschäfte zu sprechen, so hörte man nichts als friedliche Aeußerungen,
und man glaubte ihm um so leichter, da seine bedachtsame Art und
Weise von Vielen als Zaghaftigkeit getadelt ward. Aber schon in
den Dingen des gemeinen Lebens wurde er von denen, die ihn näher
kannten, wenn wir ihre Ausdrücke wiederholen dürfen, „als ein feiner
Fuchs, als ein großer Praktikus“ betrachtet; in den öffentlichen be-
wiesen die Erfolge, wie tief er seine Pläne anlegte, wie geschickt und
geheimnißvoll er fortschritt, bis seine Combinationen sich erfüllten
und das Erwünschte sich als eine nothwendige Auskunft Platz machte.
Er hatte nichts dagegen, daß man indessen auf ihn schalt. Er liebte
nicht wie Andere, auf dem Wege zu seinem Ziele zu glänzen, sondern
nur dies zu erreichen. Das vornehmste aber, das ihm vorschwebte,
vor dem ihm alle Rücksichten und Dinge verschwanden, war das all-