Pragmatische Sanction. 33
Er ist überzeugt, daß der Kaiser den Anwachs des Hauses Branden-
burg mit Eifersucht ansehe; denn dies werde dadurch so mächtig, daß
es sich um seine Mandate und Befehle nicht zu kümmern brauche;
auch Brandenburg dürfe den Kaiser nicht stärker machen, als er schon
sei. Mit Frankreich weist er keineswegs alle Verbindungen zurück;
denn die französische Macht könne der preußischen, die preußische der
französischen gute Dienste leisten. Nur dürfe ihre Verbindung nicht
gegen das deutsche Reich gerichtet sein; und wenn man die halbe Welt
dem König von Preußen dafür anböte, so müsse er das ablehnen.
Die Allianz mit den vereinigten Niederlanden hatte die alte Bedeutung
nicht mehr: auch Friedrich Wilhelm wollte nicht über allgemeine freund-
schaftliche Beziehungen mit denselben hinausgehen. Dagegen legte er
den größten Werth auf ein gutes Vernehmen mit England. Vor-
nehmlich in der Allianz mit England und Rußland sah er damals
seine Sicherheit. In dieser befestigten, nach keiner Seite hin gefähr-
deten Stellung meinte er, den Ausbau des Staates, in dem er be-
griffen war, weiter durchführen zu können, um, wenn die Gelegen-
heit sich darbiete, seine gerechten Ansprüche zur Geltung zu bringen.
Ein so ruhiger Fortgang der allgemeinen Verhältnisse, wie er
da in Aussicht genommen ward, läßt sich doch in unserm Europa
niemals erwarten. Unaufhörlich in ihrer eigenen innern Entwickelung
begriffen nehmen die verschiedenen Staaten immer neue Stellungen
ein; und damals war die im Ganzen und Großen vollzogene Paci-
fication doch nicht so vollständig, daß nicht Streitfragen übrig ge-
blieben wären, welche zu erneuerten Irrungen Anlaß gaben.
Namentlich entsprangen aus dem Verhältniß Oesterreichs zum
südlichen Europa Verwickelungen, auf welche Friedrich Wilhelm 1
an sich nicht viel Rücksicht nahm, die ihn aber bald unmittelbar
berühren sollten. Die Differenzen, die bei der Accession Spaniens
zu der Quadrupelallianz unerledigt geblieben waren, beschäftigten noch
die allgemeine Aufmerksamkeit. Wohl betrafen dieselben meistentheils
Ehrenpunkte, die an sich geringfügig erschienen, z. B. wenn der eine
und der andere Hof das ausschließliche Recht, den Orden des goldenen
Bließes zu ertheilen, für sich in Anspruch nahm. Aber dabei kamen
doch die erheblichsten Fragen der Politik zur Sprache. In Italien
wurde die Herrschaft von Oesterreich, die weit entfernt war, gesichert
zu sein, doch schon sehr drückend empfunden, Alles richtete sein Augen-
merk auf den Infanten Don Carlos, dem, wie erwähnt, die Aussicht
auf die Stiftung einer bourbonischen Herrschaft in Parma, Piacenza
und Toscana eröffnet worden war. Die westlichen Mächte hatten
v. Nanke's Werke XXVII. XXVIII. 3