Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Pragmatische Sanction. 33 
Er ist überzeugt, daß der Kaiser den Anwachs des Hauses Branden- 
burg mit Eifersucht ansehe; denn dies werde dadurch so mächtig, daß 
es sich um seine Mandate und Befehle nicht zu kümmern brauche; 
auch Brandenburg dürfe den Kaiser nicht stärker machen, als er schon 
sei. Mit Frankreich weist er keineswegs alle Verbindungen zurück; 
denn die französische Macht könne der preußischen, die preußische der 
französischen gute Dienste leisten. Nur dürfe ihre Verbindung nicht 
gegen das deutsche Reich gerichtet sein; und wenn man die halbe Welt 
dem König von Preußen dafür anböte, so müsse er das ablehnen. 
Die Allianz mit den vereinigten Niederlanden hatte die alte Bedeutung 
nicht mehr: auch Friedrich Wilhelm wollte nicht über allgemeine freund- 
schaftliche Beziehungen mit denselben hinausgehen. Dagegen legte er 
den größten Werth auf ein gutes Vernehmen mit England. Vor- 
nehmlich in der Allianz mit England und Rußland sah er damals 
seine Sicherheit. In dieser befestigten, nach keiner Seite hin gefähr- 
deten Stellung meinte er, den Ausbau des Staates, in dem er be- 
griffen war, weiter durchführen zu können, um, wenn die Gelegen- 
heit sich darbiete, seine gerechten Ansprüche zur Geltung zu bringen. 
Ein so ruhiger Fortgang der allgemeinen Verhältnisse, wie er 
da in Aussicht genommen ward, läßt sich doch in unserm Europa 
niemals erwarten. Unaufhörlich in ihrer eigenen innern Entwickelung 
begriffen nehmen die verschiedenen Staaten immer neue Stellungen 
ein; und damals war die im Ganzen und Großen vollzogene Paci- 
fication doch nicht so vollständig, daß nicht Streitfragen übrig ge- 
blieben wären, welche zu erneuerten Irrungen Anlaß gaben. 
Namentlich entsprangen aus dem Verhältniß Oesterreichs zum 
südlichen Europa Verwickelungen, auf welche Friedrich Wilhelm 1 
an sich nicht viel Rücksicht nahm, die ihn aber bald unmittelbar 
berühren sollten. Die Differenzen, die bei der Accession Spaniens 
zu der Quadrupelallianz unerledigt geblieben waren, beschäftigten noch 
die allgemeine Aufmerksamkeit. Wohl betrafen dieselben meistentheils 
Ehrenpunkte, die an sich geringfügig erschienen, z. B. wenn der eine 
und der andere Hof das ausschließliche Recht, den Orden des goldenen 
Bließes zu ertheilen, für sich in Anspruch nahm. Aber dabei kamen 
doch die erheblichsten Fragen der Politik zur Sprache. In Italien 
wurde die Herrschaft von Oesterreich, die weit entfernt war, gesichert 
zu sein, doch schon sehr drückend empfunden, Alles richtete sein Augen- 
merk auf den Infanten Don Carlos, dem, wie erwähnt, die Aussicht 
auf die Stiftung einer bourbonischen Herrschaft in Parma, Piacenza 
und Toscana eröffnet worden war. Die westlichen Mächte hatten 
v. Nanke's Werke XXVII. XXVIII. 3
	        
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