Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

34 Fünftes Buch. Zweites Capitel. 
den Streit dadurch auszugleichen gedacht, daß man die Oberlehnsherr- 
lichkeit des Reiches nicht allein über die beiden ersten, sondern auch 
über das dritte dieser Fürstenthümer anerkannte, und der Kaiser sich 
zu der eventuellen Investitur des Infanten mit denselben verpflichtete. 
Das führte aber zu neuen Mißhelligkeiten. Der päpstliche Stuhl 
nahm die Oberherrlichkeit über Parma und Piacenza wie vor Alters, 
so auch jetzt in Anspruch. In Toscana meinte man vollkommen 
unabhängig zu sein und neigte sich selbständig auf die spanisch-bour- 
bonische Seite. Man hieß die Combination auch deshalb gut, weil 
ja Don Carlos, ein Abkömmling von Maria Medici, florentinisches 
Geblüt in sich habe. Auf einem Congreß, der im Jahre 1722 zu 
Cambray zur Schlichtung dieser Streitigkeiten eröffnet wurde, kamen 
diese Fragen erst recht in Evidenz. 
Der Kaiser hielt an seiner von den Mächten anerkannten Lehns- 
herrlichkeit fest und bezog sich bei den einzelnen Fragen, namentlich der 
über die Aufnahme neutraler oder spanischer Garnisonen in die festen 
Plätze jener Landschaften, die ihm angemuthet wurde, auf die Ent- 
scheidung des Reichstags zu Regensburg. Er war mit den ursprüng- 
lichen Alliirten schon nicht mehr in gutem Vernehmen; sein Versuch, 
seinen niederländischen Provinzen einen freien Handelsverkehr nach 
den ostindischen Gewässern zu verschaffen, setzte Holländer und Eng- 
länder gegen ihn in Aufregung. Die Holländer machten einen Artikel 
ihres Friedens zu Münster mit Spanien geltend, durch welchen diesem 
eine Ausdehnung seiner Macht nach Indien verboten wurde; nur 
aber in die Rechte Spaniens sei Oesterreich bei dem Uebergang der 
Niederlande in seinen Besitz eingetreten. Dagegen stellte der Kaiser 
vor, daß dieser Besitz durch die Vorrechte, welche sich Holland aus- 
bedungen habe, ihm mehr zur Last falle, als zum Vortheil gereiche; 
er müsse dem Lande durch die Eröffnung neuer Handelswege Hülfs- 
qduellen des Wohlstandes verschaffen. 
Wenn Carl VI jemals für irgend eine Sache lebhafte Vorliebe 
gehegt hat, so war es für Commerz und Seewesen 1); man konnte 
durch kühne und einigermaßen scheinbare Entwürfe in dieser Be- 
ziehung sein Glück bei ihm machen. 
1) Foscarini storia arcana im Archirio storico italiano S. V. S. 83 
pricht von der „strana passione avuta da Sua Maesta nei commerci e 
in ogni altra industria il cui finc sia gencrare ricchezza“ von einer „in- 
clinazione per cui rendevasi disposto a secundare leggiermente ogni 
vano promettitore di ideali profitti“.
	        
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