Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

396 Achtes Buch. Drittes Capitel. 
ihrer mehr als funfzig; auch unter diesen Umständen gedachten sie 
der Ordre, die sie hatten, einen Jeden, der ihnen begegne, zum Weg- 
werfen seiner Waffen aufzufordern; demgemäß — man weiß nicht, 
war es mehr angeborene Tapferkeit oder eingelebte Disciplin — 
senkten sie ihre Bajonnete und hielten die mehr als zwölffache Ueber- 
zahl so lange fest, bis Gefährten herbeikamen und die Feinde sämmtlich 
gefangen wurden. Ueberall hatten sie im ersten Moment das Ueber- 
gewicht. Nur an dem Schlosse setzte sich Oberst Reisky mit vielem 
persönlichen Muth entgegen, doch ward er verwundet und gefangen. 
Noch ehe die Garnison sich auch nur versammelt hatte, rückten die 
Preußen unter ihrem Grenadiermarsch von drei Seiten her in den 
Straßen vor. Bei der Hauptwache fanden sie den Commandanten, 
Grafen Wallis mit seiner Fahne, der sich ihnen ergab. Um Ein 
Uhr waren sie Herren und Meister der Stadt. 
Nie wirkten selbstvertrauende Kühnheit und bis ins einzelnste 
überlegte Vorbereitung, militärische Präcision und gutes Glück besser 
zusammen. 
Ihro Majestät, sagt ein Berichterstatter in seiner naiven Weise, 
haben bei dieser Nachricht recht vor Freuden gesprungen. 
Dem alten Fürsten wünschte Friedrich zu einem Sohne Glück, der 
eine solche Waffenthat auszuführen vermöge, eine der schönsten in diesem 
Jahrhundert, eine Festung zu nehmen, ohne Kanonen, noch Sturm- 
leitern, mit dem Degen in der Faust ). Es stellte ihn besonders 
zufrieden, daß der Verlust so gering war; in allem waren nur neun 
Mann geblieben. Dem Prinzen versprach er doppelte Freundschaft, 
allen Offizieren, die daran Theil gehabt, es „ihnen sein Tage nicht 
zu vergessen“, sortan immer mehr für sie zu sorgen. 
Die benachbarten Kreise begrüßten es als ein unschätzbares 
Glück, jener Garnison entledigt zu werden, von der sie eine Er- 
neuerung der alten Religionsbedrängnisse erwartet hatten; man be- 
zing die Eroberung bis in die Dörfer durch ein feierliches Tedeum. 
Für den König war es schon ein Gewinn, die Communication auf 
der Oder, welche Graf Wallis noch gestört, völlig frei zu haben; der 
vornehmste lag aber darin, daß er nun in seinem Rücken nichts mehr 
.1) In dem Schreiben vom 15. März, bei Orlich I, 316, hat die Ab- 
schrift in dem K. A. „sonder Canons und Escalade“, wie es auch heißen 
muß, nicht durch Escalade; der alte Fürst, dem der Plau vorgelegt worden 
war, hatte ausdrücklich davor gewarnt. Man sieht hieraus noch besonders, 
wie ganz falsch der Bericht des Grafen von Wallis ist. (Miecellen der österr. 
milit. Zeitschrift II, 1.)
	        
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