Pragmatische Sanction. 35
Für die österreichischen Länder ist diese Gesinnung nicht ohne
Folgen geblieben; das Emporkommen von Triest darf ihr größtentheils
zugeschrieben werden. Der Kaiser hat einmal den Gedanken gehabt,
daß seine Kauffahrer von Triest und Ostende in dem befreundeten
Lissabon sich vereinigen könnten. Von Ostende trug die Compagnie
ihren Namen, der er im Jahre 1722 seine feierliche Sanction gab.
Die Directoren der Compagnie trugen sich mit den weitesten Aus-
sichten und schienen Glück zu haben; sie hatten einen Hafen unfern
Madras erworben. Aber wie hätte eine solche Concurrenz nicht auch
den Engländern verhaßt sein sollen. Die Interessen der ostendischen
Compagnie waren schon damals von vieler Bedeutung für die Politik
von England.
Wie aber der Kaiser nicht mehr auf die Seemächte zählen konnte,
so war andererseits das enge Verhältniß, in welches Spanien durch
den Regenten mit Frankreich getreten war, durch den Tod desselben
überaus zweifelhaft geworden. Der Herzog von Bourbon, der die
französischen Geschäfte leitete, folgte gerade entgegengesetzten Gesichts-
punkten. Wenn nun von der Dazwischenkunft der beiden vermit-
telnden Mächte unter diesen Umständen nicht viel zu erwarten war;
so faßten die Spanier, welche die einst von Alberoni verfolgten Ziele
niemals aus den Augen verloren, die Hoffnung, sie auf entgegen-
gesetztem Wege durch unmittelbare Verbindung mit dem Hause Oester-
reich zu erreichen. Der Kaiser hatte nur Töchter, der König von
Spanien nur Söhne. Der Gedanke wurde ergriffen, durch Ver-
mählung der Erzherzoginnen mit den Infanten den Streit der
beiden Häuser auf immer auszugleichen. Die Entwürfe des spanischen
Zweiges der bourbonischen Dynastie waren immer sehr umfassend.
Man schmeichelte sich, durch eine Vermählung des ältesten Prinzen
aus der zweiten Ehe des Königs mit der ältesten Tochter des Kaisers
die deutschen Erbländer für ihn erwerben zu können. Derselbe sollte
dann — denn durch seine Eigenschaften werde er fähig dazu — zum
römischen König erhoben werden. Aber nicht die ganze österreichische
Monarchie war für ihn bestimmt. Den jüngern Bruder, Don Philipp
dachte man mit den italienischen Herzogthümern auszustatten und ihn
mit der zweiten Erzherzogin zu vermählen, der dann die italienischen
Besitzungen des Kaisers als Mitgift zufallen sollten. Man meinte
sogar auf eine Rückerwerbung der Niederlande zählen zu dürfen. Es
war, als ob die Ideen Philipp lI wieder auferweckt und zur Aus-
führung gebracht werden sollten. Wie man sich das hiedurch zu be-
gründende Verhältniß dachte, ergiebt sich unter anderem daraus, daß
3*