Schlacht bei Mollwitz. 407
sehr gelitten hatte, war nicht zu denken um die Armee nicht einer
vollkommenen Niederlage auszusetzen, mußte sich Neipperg zum Rück-
zug entschließen.
So maßen sich die beiden deutschen Kriegsmächte zum ersten
Mal im offenen Felde miteinander. Es war ein Kampf der Zucht
und Uebung einer strengen und wohl berechneten Schule mit einem
auf die natürlichen Einrichtungen kriegerisch gesinnter Völkerschaften
und traditionelle Kriegsführung beruhenden Heerwesen. Im östlichen
Europa hatte von jeher die Ueberzahl und der Anlauf der Reiterei
entschieden; hier behielt die Unerschütterlichkeit und, wenn wir so
sagen dürfen, militärische Virtuosität des Fußvolkes den Platz. Die
preußische Taktik warf die österreichische Strategie aus dem schon ge-
wonnenen Vortheil 1).
Die Preußen begnügten sich damit, den Wahlplatz inne zu haben,
wo die Nacht beim Wachtfeuer zugebracht wurde. Zur Verfol-
gung wurden selbst diejenigen nicht verwandt, welche eben aus
Ohlau anlangten 2). Man fühlte, daß man für diesmal genug
gethan hatte.
Ein einziges Geschick, daß der junge Fürst, der durch die Energie
seiner Anordnungen und Entschlüsse seit dem Tage, wo Neipperg
in Oberschlesien einbrach, nicht wenig dazu beigetragen hatte, das
Heer aus der widrigen Lage zu retten, in die es durch fremde und
eigene Fehler gerathen war, nun das erste Gefühl des Sieges nicht
theilte. Indem schon Alles entschieden war, ritt er mit geringer
Begleitung im freien Felde dahin, und ging der Gefahr entgegen,
der weniger er selbst, als seine besorgte Umgebung ihn zu entziehen
gedacht hatte.
Schwerins Meinung war gewesen, wenn es noch zum Rückzug
komme, daß derselbe nach Oppeln, wohin ein Theil der Magazine
gebracht war, genommen werden müsse. Dahin voraufzugehen, hatte
1) Wir haben über die Schlacht ein bemerkeswerthes Schreiben des Kö-
nigs, seine Erzählung in den Werken, officielle Relationen in den Zeitungen,
Berichte und Briefe einiger preußischen und österreichischen Offiziere (Bülow,
Annalen des Krieges, Bd. III, und im Nachlaß von Berenhorst); ich benutzte
noch: die erste Redaction der Memoiren des Königs; die Erzählung Seege:
barts; Valori und vornehmlich Extract Relationis d. d. Neiße 12. April,
d. i. der Schlachtbericht Neippergs, in so weit er mittheilbar war.
2) Es ist ohne Zweifel eine Uebertreibung der Grabschrift Geßlers zu
St. Nicolai in Brieg, wenn diesem zugeschrieben wird, er habe den Feind in
die Flucht gebracht. Ein anderer Ruhm erwartete Geßler.