Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

36 Fünftes Buch. Zweites Capitel. 
man Carl VI für verpflichtet hielt, zur Wiedereroberung von Gibraltar 
und Minorka behülflich zu sein: denn im Bunde mit ihm gegen 
den König von Spanien aus dem Hause Bourbon sei beides von den 
Engländern erobert worden ). 
Man kann das kaum einen politischen Plan nennen; wenigstens 
gehört er mehr der Imagination, als einer ernsten Berechnung an. 
Aber er durfte wohl erwähnt werden, da bei den Verhandlungen, die 
sogleich eröffnet wurden, zwar nicht dieselben, aber ähnliche Gedanken 
maßgebend geblieben sind. 
Fast gegen die eigene Erwartung Philipp V fand der Be- 
vollmächtigte, den er in tiefem Geheimniß nach Wien schickte, Rip- 
perda, eben auch ein Parteigänger, an denen diese Zeit so reich 
ist, der schon mehr?) als einmal die Religion gewechselt hatte, 
und demgemäß aus dem holländischen in den spanischen Dienst ge- 
treten war, mit seinen Eröffnungen Eingang. Sie entsprachen nicht 
allein den commerciellen Tendenzen des Kaisers; sie konnten auch 
für ein anderes großes Unternehmen, in welchem Carl VI begriffen 
war, das wichtigste, was er wohl überhaupt in den Sinn gefaßt 
hat, von großem Werthe werden. Es ist die Durchführung der pragma- 
tischen Sanction. Eben in derselben Zeit, in welcher die spanischen 
Cortes die Trennung der Krone von Spanien und Frankreich be- 
schlossen, und der Tractat von Utrecht sie sanctionirt hat, — das erste 
geschah im November 1712, das zweite im März 1713, — hatte 
Carl VI es rathsam gefunden, auch für die Zukunft von Oesterreich 
als eines Gesammtstaates Sorge zu tragen. Nachdem Joseph 1 ohne 
männliche Erben gestorben und Carl VI ein paar Jahre in unfrucht- 
barer Ehe zugebracht, fing man in Wien an zu fürchten, daß der 
deutschen Linie des Hauses Habsburg in Kurzem dasselbe Schicksal 
bevorstehe, was die spanische betroffen ). Die Siege, die man erfocht, 
1) Man entnimmt diesen Plan aus einer Instruction König Philipp V 
an Ripperda, abgedruckt Cantillo Tratados de paz. 
2) Ohne auf die Besonderheiten dieser Missionen einzugehen, will ich doch 
das Motiv für die Wahl Ripperda's zu derselben, welches darin lag, daß Rip- 
perda von den in Spanien herrschenden Factionen nicht abhing, aus Ottieri an- 
führen: Istoria delle guerre arvenute dall’ anno 1696 all’ anno 1715, 
Buch VIII, 110: riguardato della regina Come uomo destro nel trattare 
ße senza dipendenza de Spagnuoli et de ltaliani. 
3) In den dem Prinzen Eugen beigelegten Schriften (III, 84) wird erzählt, 
daß Graf Wratislaw oft sagte: Gott gebe uns einen Prinzen, sonst ist an nichts 
anderes zu denken, als daß die österreichischen Erbländer Spolia gentium werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.