Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

428 Achtes Buch. Viertes Capitel. 
Friedrich II hatte vor allen Dingen von dem Lande, auf das 
er Anspruch machte, Besitz ergriffen; aber auch so fand er unmöglich, 
sich die Anerkennung in demselben zu verschaffen, so lange er an dem 
alten politischen Verhältniß festhielt; mit voller Entschlossenheit that 
er endlich den Schritt, vor welchem seine Vorfahren noch allezeit 
zurückgeschrocken waren und der seine Weltstellung umwandeln mußte; 
er riß sich von dem Bunde los, zu dem sein Haus sich bisher ge- 
halten, und trat in einen entgegengesetzten. Wer hätte Alles er- 
messen können, was daraus hervorgehen würde? Wir wissen, er 
verkannte die Gefahr, der er sich aussetzte, nicht, aber darüber hin- 
wegzusehen, bewog ihn die widerwärtige Gestalt der Dinge auf der 
andern Seite; der Ehrgeiz, seine Sache trotz derselben durchzuführen: 
erfahrene Mißachtung; der drängende Augenblick. 
Der Vertrag von Breslau hat eine gewisse Aehnlichkeit mit dem 
hannoverschen. In beiden garantiren die Mächte ihre Besitzungen 
innerhalb Europas, versprechen einander ihre guten Dienste und 
nöthigenfalls ihre Kriegshülfe, wenn sie angegriffen werden, bis dem 
beleidigten Theil Genugthuung verschafft sei; auch in manchen an- 
deren Artikeln kehren dieselben Worte wieder; sie sind beide auf funf- 
zehn Jahre geschlossen. Der Breslauer Tractat erscheint sogar noch 
friedlicher als der hannoversche, insofern er ausdrücklich als ein Ver- 
theidigungsbündniß bezeichnet, und die gegenseitig zu leistende Kriegs- 
hülfe unbestimmt gelassen wird. 
Die große Verschiedenheit liegt in den geheimen Artikeln, auf 
welche auch das eine und das andere Mal der meiste Nachdruck ge- 
legt ward. 
Im Jahre 1725 versprach der König von Frankreich, die An- 
sprüche Preußens auf Berg zu beförden. Von dieser Verpflichtung 
war jetzt nicht allein vollkommen abgesehen, sondern sogar das Gegen- 
theil davon festgesetzt. Wie weit entfernt fühlte sich Friedrich noch 
von einer Stellung wie sie Preußen in den späteren Zeiten zum 
Schutze der westlichen Marken von Deutschland eingenommen hat. 
Seiner Lage wie sie nunmehr wurde gemäß, suchte er nichts sorg- 
fältiger zu vermeiden, als die Eifersucht von Frankreich. Um nicht 
den Anschein zu haben, als denke er sich in den Rheingegenden zu 
vergrößern, erklärte er sich bereit, seine Rechte auf Berg zu Gunsten 
des jungen Pfalzgrafen von Sulzbach auf immer fallen zu lassen. 
Denn wie er einmal entschlossen war, das von Frankreich in Schutz 
genommene baierisch-pfälzische Haus auch seinerseits zu begünstigen, 
so sollte auch nicht hievon ein Zunder eines künftigen Haders übrig
	        
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