Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

38 Fünftes Buch. Zweites Capitel. 
der Kaiser diese Erbfolgeordnung bekannt machte, der man den schon 
von den altrömischen Kaisern gebrauchten, am spanischen Hofe fort- 
gepflanzten Titel pragmatische Sanction gab. Sollte aber dabei nicht, 
so darf man fragen, noch eine andere Rücksicht obgewaltet haben? 
Vergessen konnte in dem Hause jener Vertrag nicht werden, durch 
welchen bei dem Abgang des Maximilianischen Zweiges die spanische 
Linie, indem sie sich mit der deutschen auseinandersetzte, die Erbfolge 
nach dem Abgang des Mannesstammes derselben sich vorbehalten hat. 
Diese Linie war nun zwar untergegangen; aber die in Spanien ein- 
getretenen Bourbonen betrachteten sich als rechtmäßige Erben derselben 
und hielten mit diesem Anspruch nicht zurück. 
Dem aber mußte nun ebenfalls durch ein Hausgesetz, das zu- 
gleich von den europäischen Mächten anerkannt wurde, entgegengetreten 
werden. Gleich bei dem Rastadter Vertrage mit Frankreich (7. Sep- 
tember 1714) ist auf die Erbfolgeordnung Rücksicht genommen worden. 
Indem König Ludwig die Uebertragung der spanischen Niederlande 
an Oesterreich bestätigte, nahm er zugleich für dieselben die Erbfolge 
nach dem österreichischen Hausgesetz an, nicht jedoch für die italienischen 
Landschaften 1). Für diese versprach er den Besitz des Kaisers nicht zu 
stören; er kannte die in Ubtrecht festgesetzte Neutralität derselben an. 
Eben daran knüpften sich die oben berührten italienischen Irrungen, 
denen die Quadrupelallianz ein Ende machte. Wie der Kaiser die 
von England und Frankreich bestimmten Successionsordnungen an- 
erkannte: so wurden ihm dagegen die an ihn gelangten italienischen 
Länder garantirt; und zwar seinen Nachkommen und Erben so gut, wie 
ihm. Dann aber wurde die Frage, wer seine Erben seien, von größter 
Wichtigkeit; sie wurde damals noch nicht entschieden. Ein dem Kaiser 
geborener Sohn war sehr bald gestorben; er selbst erwartete, daß 
seine Gemahlin ihm noch einen mämnlichen Nachfolger bringen werde. 
Aber man verbarg sich doch nicht die Möglichkeit, daß es auch nicht 
geschehe. Die Festsetzung der weiblichen Succession für die Länder, 
welche die Monarchie bildeten, wurde jetzt die Bedingung des Fort- 
bestehens des österreichischen Staates. Vor allem mußte dann jenes in 
dem Geheimen Rath verkündete Erbfolgegesetz von den Landschaften 
selbst anerkannt werden. In den österreichischen Erzherzogthümern, 
wo sich wohl auch Einiges hätte einwenden lassen, geschah es ohne 
alle Widerrede. Die zahlreich versammelten Landstände haben die 
1) Artikel 19: iuxta successionis ordinem in Domo Austriaca re- 
ceptum. Dumont, VII, 1, S. 438.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.