444 Achtes Buch. Sechstes Capitel.
Kurfürsten, der schon eine ziemlich ansehnliche Armee mit Unterstützung
Frankreichs aufgebracht hatte, eine Armee jedoch, von der Friedrich be-
hauptete, sie sei viel zu schwach, um etwas gegen Oesterreich auszu-
richten, wurde eine zwiefache Unterstützung versprochen. Der einzige
Fall trat ein, daß der Kurfürst diese Truppen in seinen Sold nehmen,
der Sold aber ihm nach Maßgabe der Stärke derselben von Frankreich
selbst gezahlt werden sollte. Anders aber war es nicht wohl thunlich:
denn der Kurfürst hatte die Mittel nicht, um eine Armee auf seine
eigenen Kosten zu erhalten; und doch wollte Frankreich nicht im
eigenen Namen gegen die pragmatische Sanction auftreten. Es blieb
Stelle bewirkten, daß derselbe jür gefälscht erklärt wurde; in dem Extrait finden
sie sich nicht. In einem Aufsatz von Heigel (Angsburger Allg. Zig. 1873, Nr. 248
und 249) wird der bemerkenswerthe Nachweis geführt, daß einige Zeit später zwi-
schen Belleisle und dem französischen Minister Amelot Verhandlungen gepflogen
worden sind, welche auf der Voraussetzung beruhen, daß dem letzteren die obige
Ablunft überhaupt nicht vorgelegen hat; er soll vielmehr zu Bestimmungen, wie
diese sie enthält, die Hand zu bieten bewogen werden. Dem Minister wird mit
dem Ton einer gewissen Superiorität von den Absichten des Königs erst eigentlich
Kunde gegeben. Amelot war überhaupt gegen einen solchen Vertrag gewesen;
noch am 14. Mai hatte er sich dagegen erklärt, bevor man nicht des Königs
von Preußen sicher sei. Aber gerade das Gegentheil war die Ueberzeugung
Belleisles; der Vertrag mit Baiern müsse dem Bündniß mit Preußen voran-
gehen, nicht nachfolgen. In den Actenstücken des officiellen gesandtschaftlichen
Verkehrs findet man, soweit die Auszüge reichen, Überhaupt keine Andeutung
des Tractats. Dennoch kann ich mich nicht entschließen, denselben für unächt
zu erklären. Später hört man doch von einem in undurchdringliches Geheim-
niß gehüllten Verständniß zwischen Baiern und Frankreich, von welchem nur
Törring Notiz habe. (Vergl. Droysen in der Abhandlung Der Nymphen-
burger Tractat von 1741 in der Zeitschrift für preuß. Geschichte X. S. 529.)
Und Jedermann weiß, daß Ludwig XV auch sonst hinter dem Rücken seiner
Minister politische Verhandlungen zu pflegen liebte. Einer der Männer seines
intimen Vertrauens war damals Belleisle, dem man es zuschrieb, wenn
der König und Cardinal Fleury auf die Pläne gegen Oesterreich eingingen.
Mir will nun scheinen, als ob der Tractat von Nymphenburg das Product
einer solchen Verhandlung sei. Nur der König, Fleury und Belleisle wußten
darum, den fungirenden Ministern wurde er verheimlicht. Die Fehler, die in
den angeblichen Copien dieses Vertrags vorkamen, gaben den vielleicht nicht
unerwünschten Anlaß, ihn überhaupt für unächt zu erklären. Der archivalische
Extrait würde aber aus einem ächten Actenstück genommen sein, der Vertrag
würde als geschlossen angesehen werden müssen. In seiner wahren Gestalt wäre
er aber nie bekannt geworden. Der Zusammenhang der Ereignisse würde zur
Annahme einer ähnlichen Abkunft führen, wenn gleich über dieselbe Nichts vor-
läge. Man kann nur den Wunsch wiederhalen, daß ein authentischer Abdruck
die Zweisel heben möge, die sich noch immer darbieten.