Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

48 Achtes Buch. Sechstes Capitel. 
anspruch eine neue größere Bedeutung: das Haus Sachsen, an sich 
mächtig und gerüstet, trat auf dieselbe Seite; einen Kaiser gab es 
nicht, und die österreichische Kriegsmacht war anderweit vollauf be- 
schäftigt; man kann es begreifen, wenn man sich in Versailles den 
größten Hoffnungen hingab; eine Umwandlung aller Verhältnisse von 
Europa schien bevorzustehen. 
Von dem König von Preußen könnte man nicht sagen, daß er 
auf diese Absichten eingegangen wäre. 
Ich finde nicht, daß man ihm den Tractat von Nymphenburg 
jemals mitgetheilt, ihn in die Geheimnisse der baierisch-französischen 
Verabredungen eingeweiht habe; auch zeigte er keine Neugier, sie zu 
erfahren. Wohl sprach man ihm von den Theilungsplänen und den 
dazu nöthigen Garantien; er antwortete, er wolle nichts davon hören, 
ehe Baiern agire. Montijo erschien mit einem Briefe des Königs 
von Spanien in seinem Lager, um ihm ein Bündniß anzutragen; er 
erwiederte, er wisse die Ehre zu schätzen, die in diesen Anträgen für 
ihn liege: aber so wenig zu überschauende Verbindungen lagen ganz 
außer seiner Sinnesweise und er lehnte sie ab. Er ward fast un- 
gehalten, als ihm Belleisle aufs neue von der Negociation für die 
künftige Kaiserwahl schrieb; er wiederholte, was er schon früher ge- 
sagt, wer der Stärkste sei, werde auch die kaiserliche Krone davon- 
tragen. 
Doch war er auch nicht mehr gemeint, sich der Entwickelung 
dieser Dinge entgegenzusetzen. Mochten die nun entbundenen Kräfte 
sich auf den freien Gebieten der Welt miteinander messen und nach 
ihrer inwohnenden Stärke die großen Fragen entscheiden. Vor einer 
Umbildung von Europa erschrak er nicht, in der Meinung, daß sich 
ein anderes Gleichgewicht wiederherstellen lasse, wenn das damalige 
nicht zu behaupten sei. Ohne sich in der steten Kriegsbeschäftigung, 
in der er lebte, um die zukünftigen Dinge viel zu kümmern, wünschte 
er nur die Truppen der Verbündeten im Felde erscheinen zu sehen. 
Ebe dies nicht geschehen sei, sagt er Belleisle, dürfe man auf ihn 
nicht mehr rechnen, als auf ein Baumblatt im Herbstwinde. 
Nach der Rückkehr Belleisle's von München und Frankfurt im 
Juli 1741 wurde zwischen ihm, dem Cardinal und dessen Gehülfen 
die ernstlichste Berathung darüber gepflogen und folgender Plan 
gefaßt. 
Zwei französische Armeen sollten im Felde erscheinen. Die eine, 
von 32,000 M. z. F., 10,000 M. z. Pf. unter Belleisle selbst ward 
bestimmt, dem Kurfürsten von Baiern zuzuziehen, der indeß durch die
	        
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