452 Achtes Buch. Sechstes Capitel.
stand Böhmens bemächtigen könne, aber es sei kein Zweifel, daß
man auch Wien einnehmen werde. Wenn die Befestigung von Wien
Ruf habe, rühre das nur daher, weil es zu schlecht angegriffen
worden sei. Aber mit einem mäßigen Artilleriepark mache er sich
anheischig, es in vierzehn Tagen zu erobern. Die Donau hinab-
schiffend könne man sich ohne Schwierigkeit der Inseln und der
Leopoldstadt bemächtigen; der Wiener Bürger werde sich nicht der
Gefahr, seine Besitzthümer in den Vorstädten mit Feuer verwüstet
zu sehen, aussetzen, zumal er ohnehin gut baierisch gesinnt sei und den
Großherzog von Toskana hasse !). Wohl möglich, daß dann Lobko-
witz und Neipperg mit ihren Armeen gegen Wien heranrücken möch-
ten: aber nichts sei wünschenswürdiger als dies; auch der König
von Preußen dürfte dann herbeikommen, und man könne auf der
Stelle sich den Frieden erzwingen 2).
Wenn dies geschah, so lag darin die größte Katastrophe für die
österreichische Macht und die europäischen Angelegenheiten, die seit
Jahrhunderten eingetreten war.
Wenden wir, um den ganzen Zustand zu überblicken, unsere
Augen auf den Wiener Hof und dessen Entschließungen zurück.
1) Man hatte in Wien Denkmünzen mit der Inschrift: Reichen zu trutzen,
Pfaffen zu stutzen, Armen zu nutzen. Nach Kolinovicz erklärte Khevenhüller,
er trüge Besorgniß „intestinis proditorum niti promissis.“
2) Schon im August war nach Schmettau's Berichten der Kurfürst sehr
geneigt hiezu: il me confirma du’il goutoit et adhéroit entisrement à ma
Proposition de porter le fort des opérations en Autriche et aller meme
à Viennc.