Unterhandlungen bis zur Berabredung von Kleinschnellendorf. 455
Ernstliches; Frankreich werde sich gewiß des Kurfürsten von Baiern
erst dann annehmen, wenn dieser eine hinreichende Anzahl von Stim-
men im kurfürstlichen Collegium gewinne, um eine Spaltung darin
zu veranlassen; doch lasse sich das noch verhindern.
Auch die, welche die Dinge nicht in so günstigem Lichte sahen,
meinten doch, daß es in der Hand des Hofes stehe, ob er sich unter
französischer Vermittelung mit Baiern oder unter englischer mit Preußen
vergleichen wolle; und im Grunde schien ihnen das erste das Rath-
samste. Carl Albert werde sich mit den Niederlanden befriedigen lassen,
was so gar unvortheilhaft nicht wäre, da man sich dagegen die näch-
sten Bezirke seiner Erblande ausbedingen, Baiern aber, einmal in den
Niederlanden festgeworden, als eine Vormauer gegen Frankreich dienen
würde.
Und so war man noch im Laufe des Juni weit davon entfernt,
sich auf die Bedingungen des Königs von Preußen einzulassen. Selbst
der sehr wenig französisch gesinnte Großherzog, der aus der persfön-
lichen Kenntniß von der Denkweise des Königs, die er habe, den
Schluß zog, daß sich derselbe niemals mit Frankreich vereinigen würde,
trug dazu bei. Von den entgegengesetzten Seiten ward die Meinung
erhalten, daß man sich in keiner dringenden Gefahr befinde.
Es macht einen peinlichen Eindruck, sich dieser Nebelbilder zu
erinnern, die aus dem Boden eigener Wöünsche und unzureichender
Erfahrung aufstiegen, aber nun plötzlich vor der Wahrheit der That-
sachen zurückweichen mußten.
Der König von England theilte die Nachricht mit, daß ein Bünd-
niß zwischen Frankreich und Preußen geschlossen sei. Die Spuren, die
er davon hatte, waren sicher und unleugbar; an der Richtigkeit seiner
Anzeige ließ sich nicht zweifeln.
Einen mächtigern Eindruck hatte selbst die erste preußische In-
vasion an dem Hofe nicht hervorgebracht; die ganze Lage der Welt,
wie man sie noch soeben vor sich zu sehen glaubte, ward dadurch
umgekehrt.
Wir wissen nicht, wie sich Bartenstein dabei verhielt; von dem
Großherzog erzählt Robinson, die Königin habe ihm, wiewol nicht
ohne Zärtlichkeit, einen Vorwurf darüber gemacht, daß er sich in der
Politik Friedrichs II getäuscht habe. Der Großherzog hätte antworten
de croire qdue la France n'attaquera pas les Stats de la reine du moins
avant de porter a une scission dans le collége électoral la qduelle peut
Etre empechée par des moyens moins nuisibles que ne seroit la cession
d'une partie de la Silésie. (Eine seiner Noten aus dieser Zeit.)