Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Verabredung von Kleinschnellendorf. 471 
Der König forderte vor allem, sowohl für die gegenwärtigen 
als die noch folgenden Unterhandlungen, das tiefste Geheimniß; wo 
nicht, so lönne er der Königin keinen Dienst mehr leisten, und er er- 
kläre, daß er alsdann an diesen Vertrag nicht gebunden sein, ja daß 
er ihn ableugnen wolle. Der letzte Artikel des Protocolls setzt dies 
unverbrüchliche Geheimniß ausdrücklich fest; Hyndford, Lentulus und 
Neipperg machten sich bei ihrem Ehrenwort dazu anheischig. 
Bei der Unterredung hat man nicht so sehr die einzelnen Punkte 
erörtert, als die allgemeine Lage der Dinge. Dem König war es 
sehr angenehm, die persönliche Bekanntschaft Neippergs zu machen, 
der ihm große Achtung abgewonnen hatte. Er sprach mit ihm viel 
von dem letzten Feldzug, und hat manches von dem, was ihm der 
Marschall sagte, in seinen Denkwürdigkeiten aufgenommen. 
Betrachten wir die Verabredung von Kleinschnellendorf nur in 
dem Lichte des Augenblicks, so war ihr wesentlicher Inhalt, daß der 
König Neiße besetzen und seine Winterquartiere in Oberschlesien so 
wie in Böhmen nehmen, dagegen Neipperg mit seiner Armee, unauf- 
gehalten und unverfolgt, sich über das Gebirge nach Mähren be- 
geben durfte. 
Wenn man bedenkt, daß der König Niederschlesien schon inne 
hatte, wie er denn gleich darauf die Erblandeshuldigung in Breslau 
ohne Widerrede annahm, daß er nur eben noch Neiße gewann, Neip- 
perg aber das österreichische Kriegsheer zum Widerstand gegen die 
Franzosen fähig machte, so leuchtet ein, daß der militärische Vortheil 
auf österreichischer Seite wenigstens nicht geringer war als auf der 
preußischen. 
Das aber könnte Niemand sagen, daß damit ein haltbares Ein- 
verständniß zu Stande gebracht worden sei. 
Die große Frage, wie man sich zu beiden Seiten die Entschei- 
dung der Erbfolgesache überhaupt denke, war noch gar nicht berührt. 
Wenn Friedrich Oesterreich nicht unter die Macht von Frankreich wollte 
gerathen lassen, so hatte er damit noch nicht zugesagt, gegen Baiern 
oder gegen Sachsen Partei zu ergreifen. Die Verzichtleistung auf 
Niederschlesien selbst war noch auf keine bindende Weise ausgesprochen; 
sie war nur für den Friedensvertrag verheißen, den man gegen Ende 
des Jahres zu Stande zu bringen hoffe. Zu diesem aber kam es 
nicht. Oberst Goltz forderte den Lord Hyndford dringend auf, an 
denselben Hand anzulegen; man solle nicht etwa die letzten Tage des 
Jahres erwarten, um den Frieden zu Stande zu bringen; lieber heute 
als morgen müsse man ihn abschließen; das Wort für die Königin
	        
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