42 Fünftes Buch. Zweites Capitel.
Alles beruht darauf, daß der Kaiser, wiewohl nicht ohne einen
merkwürdigen Vorbehalt, sich geneigt erklärte, seine älteste Tochter
Maria Theresia, deren Anrecht an die große österreichische Erbschaft
eben festgesetzt worden, mit dem spanischen Infanten Don Carlos,
ältesten Sohn der Königin von Spanien zu vermählen. Ripperda
hat behauptet, die Absicht des kaiserlichen Hofes sei anfangs mehr
auf den Prinzen von Asturien, Don Ferdinand gegangen; er, der
Gesandte, habe die Wahl auf Don Carlos gelenkt. Auch erkannte
man wirklich in dem Vertrag die Nothwendigkeit an, die drei Mächte,
Frankreich, Spanien und Oesterreich getrennt zu erhalten; man machte
ausdrückliche Stipulationen, um Vermählungen aus der kaiserlichen
und der spanischen Familie mit der französischen zu verhindern. Da-
gegen würde Don Carlos, dem man die Nachfolge in Toscana, Parma
und Piacenza zusicherte, durch seine Vermählung mit der Erbtochter
von Oesterreich diese Länder der österreichischen Monarchie, die damals
auch Neapel und Sicilien umfaßte, hinzugefügt haben. Was man
in Spanien wünschte, daß Don Carlos alsdann zum römischen König
gewählt würde, ist in dem Tractat nicht ausdrücklich enthalten, aber
am Tage liegt, daß es dahin kommen sollte. Philipp V versprach,
bei der Wahl eines römischen Königs seine Dienste und seine Macht
anzuwenden, um die kaiserliche Krone bei dem österreichischen Stamme
und Hause — das dann sein elgenes gewesen sein würde — zu be-
haupten. Sollte hierüber, wie zu erwarten, ein Krieg mit Frankreich
und England ausbrechen, so setzte man sich vor, dem ersteren alle
Eroberungen, die es über das alte Haus Oesterreich-Spanien gemacht,
sogar Burgund, wieder zu entreißen, auch Lothringen in den Stand
herzustellen, in welchem es 1633 gewesen war; dem letzteren aber
Gibraltar und Minorca mit Gewalt der Waffen zu entreißen. Es
war ein Vertrag nach dem Muster derer, die früher zwischen den beiden
habsburgischen Linien getroffen worden; gegen Franzosen und Türken,
und wenn etwa der Religion wegen innerhalb oder außerhalb des
Reiches es zum Kriege kommen sollte, auch gegen die Protestanten
wollten sie gemeinschaftliche Sache machen 7).
Se lautet der Vertrag; es schien darauf abgesehen, das alte
spanisch-österreichische Uebergewicht wiederherzustellen. Bei alledem
möchte man beinahe zweifeln, ob es dem Wiener Hofe rechter Ernst
damit gewesen ist, ob er nicht blos dem stürmischen Verlangen der
1) Wie es in der Instruction heißt: Alianza defensiva et offensiva
contra el Turco yF los principes protestantes.