Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Reichstag in Ungarn. 481 
druck von Gnade und Betrübniß 1); nicht ohne langes Widerstreben, 
und nur um keinen Aufschub zu veranlassen, erst um 9 Uhr Abends 
hat sie das Diplom unterzeichnet. 
Den nächsten Tag ward sie gekrönt. Sie erschien in einem 
offenen Wagen, mit unbedecktem Haupt, blaß und bewegt. Der Em- 
pfang, der ihr zu Theil wurde, war jedoch bei weitem herzlicher als 
sie erwartete; das Frohlocken und Jauchzen einer zahllosen Volks- 
menge erwärmte wieder ihr Herz und färbte ihre Wangen. Die 
Ungarn freuten sich ihres Anblickes, wie sie, mit der Krone des hei- 
ligen Stephan auf dem Haupt, als ihr König und ihre Herrin, denn 
diesen Titel gaben sie ihr 2), daherschritt, von den Magnaten in alt- 
väterischer Pracht umgeben, oder wie sie auf dem Königsberg das 
Schwert des heiligen Stephan nach den vier Weltgegenden hin zückte 
und alsdann auf ihrem nach ungarischer Sitte reichgeschmückten Roß 
sicher und voll ruhiger Anmuth herabkam; sie selber fand Geschmack 
an den glänzenden Ceremonien; doch dürfte man auch diesen Tag 
nicht ohne bittere Empfindung glauben. 
Ihrem Gemahl, den die Königin als den Genossen wenn nicht 
der Macht, doch der Ehre zu betrachten liebte, und dem die Ungarn 
absichtlich zu bemerken gaben, daß er ihnen wenig gelte, war auch 
bei diesen Feierlichkeiten nicht eine Theilnahme, wie er sie wünschte, 
gewährt worden; er würde sich an diesem Tage entfernt haben, hätte 
er nicht den schlechten Eindruck vermeiden wollen, den das bei der 
Menge gemacht haben würde. 
Hierauf aber begannen nun erst die schwierigen und nicht selten 
widerwärtigen Geschäfte des Reichstages. 
Die Ungarn forderten vollkommene Herstellung der alten Ver- 
fassung unter der hergebrachten Autorität der großen Reichsämter: 
Theilnahme derselben an den auswärtigen Geschäften insofern sie 
Ungarn angingen; Entfernung aller Ausländer von jedem Amt, jedem 
Beneficium im Reiche; genug eine ständische Unabhängigkeit, wie sie 
vor dem Eintritt des Hauses Oesterreich bestanden, nur mit Ausnahme 
1) Der Hofrichter bei Kolinowicz: „regina gratiam et benignitatem 
ipso etiam voltu praeferens, sed aliquantum tristior. 
2) Nach Katona und Andern wäre der Ausdruck beliebt worden: domina 
et rex noster. Die genauere Erzählung bei Kolinowicz S. 149 Fegt aber, 
daß dies bloß ein Vorschlag des Primas war und die offizielle Bezeichnung 
rex domina nostra sein sollte. Der Grund ist: quatenus et sexus habeatur 
ratio et regia non reginalis duntaxat aut mariti coadjutoria conferti 
dignitas vidcatur. 
v. Ranke's Werke XXVII. XXVII. 31
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.