Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Pragmatische Sanction. 43 
Spanier nachgegeben hat. Großes Bedenken erregt der berührte Vor- 
behalt. Die Vermählung der ältesten Erzherzogin ist nur dann un- 
zweifelhaft, wenn der Kaiser vorher stirbt, ehe sie zu reifen Jahren 
gelangt; unbedingt ist allein die Vermählung zweier Erzherzoginnen 
(noch lebten ihrer drei) in das spanische Haus. Aus den Aeußerungen 
Eugens sollte man schließen, dem Hofe habe eigentlich nur an der 
Garantie der pragmatischen Sanction gelegen; wenigstens war dies 
der Sinn der Partei, der er angehörte. Anders aber war diese Garantie 
nicht zu erlangen, als wenn man der Königin von Spanien große 
und glänzende Aussichten eröffnete. Der Vertrag, wie er zu Stande 
kam, gewährte nicht. Alles, was sie wünschte, und bot doch für Oester- 
reich unendliche Vortheile dar. Ganz Italien staunte, daß zwar die 
Investitur des Infanten Don Carlos mit Parma und Toscana darin 
bestätigt wurde, aber auf der Grundlage der Rechte des Reiches und 
ohne Erwähnung der daselbst einzuführenden Garnisonen; man ur- 
theilte, der Kaiser habe nie einen vortbeilhaftern Vertrag geschlossen. 
In Hoffnung auf die künftige Vermählung ihres Sohnes mit der Erbin 
der österreichischen Landschaften hatte die Königin ihre alten Anfor- 
derungen fallen lassen. Und auf der Stelle gelangte nun die öster- 
reichische Politik zu einem vorherrschenden Einfluß in Spanien. Der 
kaiserliche Gesandte Graf Königseck entschied die wichtigsten Angelegen- 
heiten in Spanien nicht ohne Rücksprache mit seinem Hofe, dessen 
Urtheil als ein Orakel erwartet wurde 1). Ansehnliche Geldsummen 
sind wirklich von Spanien an Oesterreich gezahlt worden; hiedurch er- 
muthigt und gekräftigt zeigte der Wiener Hof wieder mehr Energie 
in seiner Haltung. 
Nun versteht es sich wohl, daß schon die Annäherung der beiden 
bisher feindlichen Mächte und ihr Friedensschluß, noch mehr einzelne 
der von ihnen getroffenen Verabredungen, welche bekannt wurden, am 
meisten aber die Tendenz, die man errieth, noch ehe sie sich vollständig 
entwickelt hatte, eine allgemeine Bewegung in Europa erregen mußte. 
Frankreich faßte die österreichische Succession ebenso wohl ins 
Auge, wie einst die spanische, und wollte keine einseitige Festsetzung 
darüber dulden, am wenigsten eine solche, von der es feindselig be- 
1) Vgl. Relation des Nicolo Erizzo von 1730: Imperatorc ha eser- 
citato per qduello sia gl’affari politici una oguale autoritä in Spagna di 
duello facesse nel proprio dominio; prima di prender qual si sia de- 
liberatione attendevra POracolo della Corte di Vienne. Das aus Spanien 
nach Wien Ubersandte Geld giebt Erizzo auf 4 Mill. Sceudi an.
	        
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