484 Neuntes Buch. Erstes Capitel.
Widerspruch, die Mitregentschaft des Herzogs von Lothringen durch-
gesetzt. Am 21. September stellte ihn die Königin den Ständen vor,
und in ihrer Gegenwart leistete er den Eid. Seine Rede, die er mit
denselben Worten der Hingebung, Blut und Leben für die Königin,
schloß, ward mit tumultuarischen Vivats erwiedert. In Dem ließ die
Königin die Frucht ihrer Ehe, den vor kurzem so schmerzlich vermißten
Erben, Erzherzog Joseph herbeibringen, um ihn den versammelten
Ständen zu zeigen. Die Gouvernante hob das Kind hoch empor, so
daß es von allen gesehen ward. Die Vivats erneuten sich, und alles
drängte sich herbei, die kleinen Hände zu küssen.
« Wohl war indeß auch ein Schreiben Carl Alberts eingelaufen,
worin er sein Erbrecht geltend machte und wider die Krönung Ein-
spruch that; allein das Selbstgefühl der Ungarn ward durch seine
Anmuthungen vielmehr beleidigt, da die erbliche Krone durch ihren
freien Willen dem Hause Oesterreich auch in dessen weiblicher Descen-
denz übertragen worden sei.
Dabei aber blieb es trotz dem allen, oder vielmehr es war die
Bedingung davon, daß die constitutionellen Zugeständnisse gewährt
werden mußten. Die Königin mußte wirklich zusagen, die inneren
und äußeren Geschäfte des Reiches nur Eingeborenen anvertrauen zu
wollen, Ungarn als das vornehmste ihrer Reiche anerkennen, die Er-
klärung geben, daß sie Siebenbürgen nur als Königin von Ungarn
besitze, die Freiheit nicht allein der Edelleute sondern auch ihres Grund
und Bodens von der Contributionspflicht aussprechen, und wie die
andern Artikel weiter lauten; wenn man die Texte der Gesetze ver-
gleicht1), so sieht man wohl, wie viel es ihr gekostet hat: nur geringe
Abweichungen wurden ihr gestattet.
Aber anders war es nun nicht: eben dies gehörte dazu, um das
Zutrauen der Nation zu gewinnen, sie in die Waffen zu bringen.
Während der Verhandlungen, die sich bis gegen Ende October fort-
zogen, haben die Abgeordneten der Edelleute oft erklärt, daß sie in
ihren Gespannschaften nichts ausrichten würden, wenn sie nicht die ge-
wünschten Zugeständnisse zurückbrächten. Noch waren sie auch mit
1) Die Slände forderten z. B., sie solle die wichtigsten weltlichen und
geistlichen Aemter in ihrer althergebrachten, gesetzlichen und vollen Autorität
wiederherstellen. Die Königin hofsfte Ansangs, es solle genügen, wenn sie Ein-
zelnes gewährte, und im Allgemeinen nur verspreche, die Aemter zu erhalten,
wie sie jetzt seien; aber die Stände drangen auf Wiederherstellung, und sie
versprach dieselben endlich „in ihre volle und gesetzliche Autorität“, schon zu-
frieden, daß man daos Wort althergebracht fallen ließ.