Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Franzosen und Baiern in Böhmen. 485 
dem, was sie erreichten, nicht zufrieden; denn wirkliche Vortheile seien 
nur den Magnaten und der Geistlichkeit zu Theil geworden. Wenig- 
stens konnten die Protestanten sich keiner Begünstigung rühmen, ihre 
Anträge wurden schroff zurückgewiesen. 
Wie von Grund aus entgegengesetzt ist doch dieses ungarische 
Ereigniß dem schlesischen. Für das Haus Oesterreich gehören sie aber 
beide zusammen. Die Abtretung von Schlesien und die Freiheiten 
der Ungarn sind der Preis, welchen dieses Haus einsetzte, um sich 
vor der Invasion der Bourbonen und ihrer Verbündeten zu retten. 
Hierauf sammelte sich wieder eine Kraft des Widerstandes im 
Angesicht der eingedrungenen Feinde. 
Jetzt hatten diese ihren Weg sämmtlich nach Böhmen genommen. 
Gegen Ende October führte Graf Törring die Baiern von Crems 
nach Budweis; am 1. November überschritt der Kurfürst mit den 
Franzosen die Donau und schlug denselben Weg ein. Indessen rück- 
ten zwei andere Truppencorps, ein französisches und ein bairisches, 
von der Oberpfalz in Böhmen ein; sie waren am 6. November in 
Pilsen. Von einer dritten Seite her überstiegen am 9. die Sachsen 
in verschiedenen Colonnen das sächsische Gebirge und zogen die Elbe 
aufwärts gegen Prag. 
Böhmen selbst war nicht eben besser zum Widerstand gerüstet 
als Oesterreich, aber eine ganz andere Kriegsmacht konnte die Königin 
jetzt an den mährisch-böhmischen Grenzen dem Feind entgegenstellen, 
als einen Monat früher an der Donau. 
Neipperg nahm seinen Weg, von Schlesien kommend, über Ol 
mütz nach Znaim; diesem schlossen sich die zerstreuten Abtheilungen 
an, zuerst Browne, dann einige aus Schlesien vor der Uebermacht 
zurückweichende Regimenter unter dem Fürsten von Lobkowitz. Die 
in eifriger Rüstung begriffenen Ungarn gewährten schon einige Unter- 
stützung, so daß sich der Großherzog mit vieler Zuversicht — auch 
die Königin zeigte wieder „ein freudiges Herz“ — zu Neipperg be- 
geben konnte. Die zur Vertheidigung von Wien von allen Seiten 
zusammengezogenen und in diesen Platz geworfenen Truppen, bei denen 
einige niederungarische Scharen, bekamen freie Hand. Man hatte den 
resoluten Gedanken gefaßt, Italien für einen Augenblick sich selber 
zu überlassen und den größten Theil der dortigen Regimenter über 
die Alpen zurückzuführen, so daß sie mit den von Wien ins Feld 
rückenden Truppen zusammen ein sehr stattliches Heer bilden konnten. 
Es ist augenscheinlich, wie so ganz die militärisch politische Lage 
der Dinge hiedurch umgestaltet ward.
	        
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