Franzosen und Baiern in Böhmen. 485
dem, was sie erreichten, nicht zufrieden; denn wirkliche Vortheile seien
nur den Magnaten und der Geistlichkeit zu Theil geworden. Wenig-
stens konnten die Protestanten sich keiner Begünstigung rühmen, ihre
Anträge wurden schroff zurückgewiesen.
Wie von Grund aus entgegengesetzt ist doch dieses ungarische
Ereigniß dem schlesischen. Für das Haus Oesterreich gehören sie aber
beide zusammen. Die Abtretung von Schlesien und die Freiheiten
der Ungarn sind der Preis, welchen dieses Haus einsetzte, um sich
vor der Invasion der Bourbonen und ihrer Verbündeten zu retten.
Hierauf sammelte sich wieder eine Kraft des Widerstandes im
Angesicht der eingedrungenen Feinde.
Jetzt hatten diese ihren Weg sämmtlich nach Böhmen genommen.
Gegen Ende October führte Graf Törring die Baiern von Crems
nach Budweis; am 1. November überschritt der Kurfürst mit den
Franzosen die Donau und schlug denselben Weg ein. Indessen rück-
ten zwei andere Truppencorps, ein französisches und ein bairisches,
von der Oberpfalz in Böhmen ein; sie waren am 6. November in
Pilsen. Von einer dritten Seite her überstiegen am 9. die Sachsen
in verschiedenen Colonnen das sächsische Gebirge und zogen die Elbe
aufwärts gegen Prag.
Böhmen selbst war nicht eben besser zum Widerstand gerüstet
als Oesterreich, aber eine ganz andere Kriegsmacht konnte die Königin
jetzt an den mährisch-böhmischen Grenzen dem Feind entgegenstellen,
als einen Monat früher an der Donau.
Neipperg nahm seinen Weg, von Schlesien kommend, über Ol
mütz nach Znaim; diesem schlossen sich die zerstreuten Abtheilungen
an, zuerst Browne, dann einige aus Schlesien vor der Uebermacht
zurückweichende Regimenter unter dem Fürsten von Lobkowitz. Die
in eifriger Rüstung begriffenen Ungarn gewährten schon einige Unter-
stützung, so daß sich der Großherzog mit vieler Zuversicht — auch
die Königin zeigte wieder „ein freudiges Herz“ — zu Neipperg be-
geben konnte. Die zur Vertheidigung von Wien von allen Seiten
zusammengezogenen und in diesen Platz geworfenen Truppen, bei denen
einige niederungarische Scharen, bekamen freie Hand. Man hatte den
resoluten Gedanken gefaßt, Italien für einen Augenblick sich selber
zu überlassen und den größten Theil der dortigen Regimenter über
die Alpen zurückzuführen, so daß sie mit den von Wien ins Feld
rückenden Truppen zusammen ein sehr stattliches Heer bilden konnten.
Es ist augenscheinlich, wie so ganz die militärisch politische Lage
der Dinge hiedurch umgestaltet ward.