Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Friedrich II. in Mähren. 503 
Ein noch ganz anderes Unternehmen als das schlesische, auf eine 
große Einwirkung über Europa, eine allgemeine Pacification im preu- 
Pischen Sinn hinzielend, aber nun auch um vieles schwieriger, sowohl 
an sich als besonders darum, weil die Mitwirkung fremder Kräfte 
dazu erfordert wurde. 
Noch vor dem Beginn konnte man das bereits fühlen. 
Indem Friedrich auf dem Wege war, die Franzosen, welche in 
Linz belagert wurden, durch eine Diversion zu retten, hatten sich diese 
schon genöthigt gesehen, den Platz zu räumen. Wie die rasche Be- 
wegung der leichten Reiterei im offenen Feld, so gab die schonungs- 
lose Wuth der Warasdiner Grenzer bei ihren Anfällen gegen Plätze, 
die nicht allzufest waren, wie dieser, der Königin einen großen Vor- 
theil. Bald nach Linz fiel auch Passau in die Hände der Oesterreicher 
— 214. bis 25. Januar —; bei ihrer Annäherung ward Braunau 
verlassen, und ohne Rückhalt drangen die khevenhüllerschen Scharen 
in dem offenen Baiern vor, dem sie zehnfältig vergalten, was Oester- 
reich von dem Kurfürsten gelitten hatte. 
Da dergestalt der nächste der Zwecke, die man sich vorgesetzt, 
nicht mehr zu erreichen war, so meinten die Sachsen bereits, die ganze 
Unternehmung sei zu unterlassen; Friedrich erwiederte, es werde darum 
um so nöthiger: Baiern würde sonst völlig in die Hände der Königin 
gerathen, und ein neuer Zug französischer Hülfstruppen, den man so 
eben in Deutschland erwartete, unmöglich werden. 
Auch die Franzosen, die im ersten Augenblick nur zu empsinden 
schienen, daß die Ankunft des Königs sie von dem ihnen sonst bevor- 
stehenden Verderben rettete, bemerkten doch bald, daß er nicht dazu 
allein gekommen war, sondern seine eigene Politik zu vollführen, ihrem 
Einfluß das Gleichgewicht in Mitte ihres Bundes zu halten denke. 
Wenn Polastron sich an den König anschloß, so geschah das weniger 
auf Befehl Broglies, der es vielmehr schon nicht mehr wünschte, als 
aus eigenem Ermessen, wie denn die Oberhäupter der Franzosen diesem 
damals im Staat und im Krieg nicht selten folgten. 
Eine fernere, nicht geringe Schwierigkeit erblickten die Freunde 
Friedrichs in der Beschaffenheit des Landes, der Stimmung der Ein- 
wohner desselben. Cabinetsrath Eichel, laut eines seiner Briefe, hofft 
kein Glück in dem bergigten Mähren, das wenig Heerstraßen habe 
und bei eintretendem Thauwetter im Winter ganz unwegsam werden 
dürfte, wo das]Landvolk ihm tückisch vorkommt; er fürchtet, der Kriegs- 
zug könne den zweiten Band der Gefahren von Mollwitz bilden: „möge 
Gott das drohende Unheil verhüten“.
	        
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