Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

510 Neuntes Buch. Zweites Capitel. 
Zu den Unbequemlichkeiten der militärischen Lage kam nun aber 
die täglich mehr hervortretende Verstimmung der Verbündeten. 
Mit dem Oberbefehlshaber der Franzosen konnte König Friedrich 
nie ein gutes Verhältniß haben. Grof Broglie hielt es für einen 
unbestrittenen Grundsatz im Leben, daß man vor allem seine Würde 
und seine äußere Stellung aufrecht erhalten müsse: er hat wohl ein- 
mal in der Hitze des Gesprächs gesagt, daß ihm daran mehr liege, 
als an der Rücksicht auf das allgemeine Beste. Er konnte nicht ver- 
tragen, daß er durch die Ankunft des Königs von Preußen in Schatten 
gestellt, bei den Plänen, die man entwarf, nicht erst zu Rathe ge- 
zogen wurde. Es geschieht wohl öfters, daß wesentliche Dienste, die 
einer dem andern leistet, verkannt werden, weil die Eigenliebe dadurch 
verletzt wird. Aber man darf sich auch nicht wundern, daß das Miß- 
trauen des Königs Mißtrauen in den Franzosen erweckte; wie er sie, 
so wollten sie ihn nicht den Meister spielen lassen. Alle Briefe von 
Broglie athmen Bitterkeit, Verdacht und Unmuth, und nicht ohne 
Wirkung blieben sie in Versailles; Cardinal Fleury sprach keineswegs 
allezeit wie ein guter Verbündeter von den Preußen. Seinerseits 
klagte der König, daß Broglie nicht einmal die jetzige Schwäche der 
Oesterreicher, die ihm gegenüber seien, zu einer kriegerischen Unter- 
nehmung benutze, sondern seine Truppen in weite Entfernungen ver- 
lege ). 
Eben so wenig einverstanden waren die Sachsen. Sie meinten 
wohl, Friedrich wolle sich ihrer Mannschaften nur zu seinen Zwecken 
bedienen und sie nie wieder freigeben. Oder sie besorgten, die öster- 
reichische Armee möchte sich plötzlich nach Böhmen wenden, sie von 
ihrem Vaterlande trennen und einen Einfall in dasselbe versuchen. 
Man kannte im österreichischen Lager den zwischen den Verbün- 
deten, und besonders zwischen Sachsen und Preußen, obwaltenden 
Zwiespalt sehr wohl, als man endlich gegen Ausgang des März so- 
weit kam, den im Anfang dieses Monats gefaßten Beschluß zu voll- 
ziehen: mit der Hauptmacht gegen den König vorzurücken. 
Eben damals erst war die im vorigen Jahre beschlossene In- 
surrection der Ungarn ins Werk gesetzt worden. Man hatte in Wien 
jenen Angriff des Königs auf ihre Sammelplätze nicht ungern gesehen, 
1) Schmettau: Le roi Miest. point content d'apprendre que le M de 
Broglic à separé si fort ses troupes, jusqu’à envoyer la cavallerie vers. 
Pilsen et au cercie de Saatz dans un temps, on il devroit profiter de 
la faiblesse des ennemis, qui tirent tous vers ici pour faire un coup 
decisif.
	        
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