510 Neuntes Buch. Zweites Capitel.
Zu den Unbequemlichkeiten der militärischen Lage kam nun aber
die täglich mehr hervortretende Verstimmung der Verbündeten.
Mit dem Oberbefehlshaber der Franzosen konnte König Friedrich
nie ein gutes Verhältniß haben. Grof Broglie hielt es für einen
unbestrittenen Grundsatz im Leben, daß man vor allem seine Würde
und seine äußere Stellung aufrecht erhalten müsse: er hat wohl ein-
mal in der Hitze des Gesprächs gesagt, daß ihm daran mehr liege,
als an der Rücksicht auf das allgemeine Beste. Er konnte nicht ver-
tragen, daß er durch die Ankunft des Königs von Preußen in Schatten
gestellt, bei den Plänen, die man entwarf, nicht erst zu Rathe ge-
zogen wurde. Es geschieht wohl öfters, daß wesentliche Dienste, die
einer dem andern leistet, verkannt werden, weil die Eigenliebe dadurch
verletzt wird. Aber man darf sich auch nicht wundern, daß das Miß-
trauen des Königs Mißtrauen in den Franzosen erweckte; wie er sie,
so wollten sie ihn nicht den Meister spielen lassen. Alle Briefe von
Broglie athmen Bitterkeit, Verdacht und Unmuth, und nicht ohne
Wirkung blieben sie in Versailles; Cardinal Fleury sprach keineswegs
allezeit wie ein guter Verbündeter von den Preußen. Seinerseits
klagte der König, daß Broglie nicht einmal die jetzige Schwäche der
Oesterreicher, die ihm gegenüber seien, zu einer kriegerischen Unter-
nehmung benutze, sondern seine Truppen in weite Entfernungen ver-
lege ).
Eben so wenig einverstanden waren die Sachsen. Sie meinten
wohl, Friedrich wolle sich ihrer Mannschaften nur zu seinen Zwecken
bedienen und sie nie wieder freigeben. Oder sie besorgten, die öster-
reichische Armee möchte sich plötzlich nach Böhmen wenden, sie von
ihrem Vaterlande trennen und einen Einfall in dasselbe versuchen.
Man kannte im österreichischen Lager den zwischen den Verbün-
deten, und besonders zwischen Sachsen und Preußen, obwaltenden
Zwiespalt sehr wohl, als man endlich gegen Ausgang des März so-
weit kam, den im Anfang dieses Monats gefaßten Beschluß zu voll-
ziehen: mit der Hauptmacht gegen den König vorzurücken.
Eben damals erst war die im vorigen Jahre beschlossene In-
surrection der Ungarn ins Werk gesetzt worden. Man hatte in Wien
jenen Angriff des Königs auf ihre Sammelplätze nicht ungern gesehen,
1) Schmettau: Le roi Miest. point content d'apprendre que le M de
Broglic à separé si fort ses troupes, jusqu’à envoyer la cavallerie vers.
Pilsen et au cercie de Saatz dans un temps, on il devroit profiter de
la faiblesse des ennemis, qui tirent tous vers ici pour faire un coup
decisif.